128 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Sept. 14.—15.)
eine Einwirkung auf die Politik Preußens und des deutschen Reiches hätte
gestatten wollen."
14. September. Der „Reichsanzeiger“ enthält die Genehmi-
gung der Dienstentlassung des Staatssekretärs Jacobi zum 1. Ok-
tober unter Erhebung desselben in den erblichen Adelsstand, sowie
die Ernennung des Freiherrn v. Malzahn zum Staatssekretär des
Reichsschatzamtes.
Mitte September. (Erzherzog Albrecht in Berlin.) Der
zum Manöver hier eingetroffene Erzherzog findet in der gesamten
Presse freudige Begrüßung.
Die „Nationalzeitung“ konstatiert, daß er mit den berühmten Heer-
führern der Gegenwart in einer Reihe stehe. Sein Besuch habe besondere Be-
deutung. Seit 1864 sei der Erzherzog Berlin und Preußen ferngeblieben;
wenn von anti-preußischen Elementen Österreichs geredet wurde, so wurde
er stets als das geistige Haupt dieser Richtung genannt. Um so bedeutungs-
voller sei die jetzige Wendung. Die Änderung der Anschauungen des Erz-
herzogs enthalte den denkbar stärksten Beweis für die Naturnotwendigkeit
des deutsch-österreichischen Bündnisses.
15. September. (Wahlaufruf der nationalliberalen
Partei:
Die Wahlen zum preußischen Landtag stehen bevor. Mehr als je
werden dieselben für die nächsten fünf Jahre von entscheidender Bedeutung
für die innere Entwickelung Preußens und somit auch des deutschen Reiches
ein. Ernste, schwere Zeiten liegen hinter uns. Zwei ruhmvolle, preußische
Könige, den großen Begründer des deutschen Reiches und seinen hochherzigen
Sohn, den vornehmsten Mitstreiter in dem Kampfe um die deutsche Einheit
und Selbständigkeit, sahen wir bald nacheinander ins Grab sinken. König
Wilhelm II. bestieg den Thron seiner Väter. Diese gewaltigen Ereignisse
sind dank der unzerreißbaren Verbindung von Herrscherhaus und Volk und
dank den festen und gesunden Grundlagen unseres Staatswesens ohne Er-
schütterungen vorübergegangen. Eine starke, Freiheit und Ordnung sichernde,
die Wohlfahrt aller Klassen des Volkes gleichmäßig fördernde Königsgewalt;
eine fortschreitende, den Bedürfnissen der Gegenwart gerecht werdende Gesetz-
gebung; eine von einer pflichtgetreuen, ihrer hohen Aufgabe als Dienerin
des Staatswohles sich bewußten Beamtenschaft getragene Verwaltung; Ord-
nung und Sparsamkeit im Finanzwesen; lebendige, selbverantwortliche Teil-
nahme des Volkes an der Gesetzgebung und der Verwaltung des Staates und
der Staatsglieder; Handhabung des Rechts durch unabhängige Gerichte;
Freiheit und Förderung der wissenschaftlichen Forschung wie der allgemeinen
Volksbildung; Gleichheit und Unantastbarkeit der staatsbürgerlichen Rechte
aller Konfessionen; Regierung nach Verfassung und Gesetz: — dies find die
starken Fundamente des preußischen Staates, dies die Überlieferungen, welche
jede Landesvertretung festhalten und nötigenfalls verteidigen muß. Dem
preußischen Herrscherhause ist innerhalb des Reiches eine leitende Stellung
zugefallen, und damit sind dem preußischen Staate besondere Pflichten auf-
erlegt. Preußen muß allen anderen Staaten voran seine Macht und seine
Mittel dem Reiche zur Verfügung stellen und der erste Diener von Kaiser
und Reich sein. Die Stärkung des Reiches ist zugleich die beste Gewähr
für das Gedeihen Preußens. Die nationalliberale Partei hat seit den ersten
Tagen ihrer Bildung dies als den obersten Leitstern ihres politischen Ver-