154 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 2. Hälfte.)
marschall Graf Moltke, die Präsidenten des Senats, Versmann und Petersen,
die stimmführenden Mitglieder des Bundesrats, der Vorstand des Reichstags,
die Präsidenten der Bürgerschaft und die übrigen offiziellen Teilnehmer an
der Feier. Nach Beendigung der Feier fand eine Hafen= und Elbfahrt statt.
Um 5¼ Uhr begann das Festmahl in der Kunsthalle. Etwa eine halbe
Stunde später erhob sich Bürgermeister Petersen zu einem Toast, indem er
namens des Senats und der Bürgerschaft dem Kaiser den ehrfurchtsvollsten
und innigsten Dank aussprach, daß Se. Majestät geruht habe, dieses Fest
mit Allerhöchstseiner Gegenwart zu verschönern, „Ew. Majestät haben geruht,
zu uns zu kommen, nachdem Sie die begeisterten Huldigungen der mächtigsten
Völker entgegengenommen. Um so tiefer, Majestät, ist unser Dank. Wir
bringen Ihnen in dieser alten, guten, deutschen Reichsstadt, der zu allen
Zeiten opferwillig ergebenen Hansestadt, unsern Dank aus vollem Herzen
entgegen. Der niedersächsische Stamm mit seinem festen und beharrlichen
Sinn bringt Ew. Majestät ein volles und treues Herz entgegen. Als vor
einer Reihe von Jahren Ew. Majestät unsere Stadt durch Ihre Gegenwart
beehrten, da verfolgten unsere frohesten Hoffnungen den jugendlichen Sproß
des Hohenzollernhauses. Heute begrüßen wir den deutschen Kaiser, der mit
mächtiger Hand und unermüdlicher Kraft die Zügel der Regierung ergriffen.
Wir empfingen den Kaiser mit allerfestestem Vertrauen und allgemein hin-
gebender Liebe. Der 29. Oktober wird in den Jahrbüchern unserer Stadt
mit unverlöschlichen Lettern eingegraben sein. Wir fassen unsere Wünsche in
dem heißen Wunsch zusammen, daß es Ew. Majestät vergönnt sei, noch viele
Jahre in gesegneter Regierung der Hort des Vaterlandes zu sein und Sich
zu erfreuen der hingebendsten Liebe des deutschen Volkes. Se. Majestät der
Kaiser lebe hoch, zum zweitenmale hoch und zum drittenmale hoch!“
Die Antwort Sr. Majestät des Kaisers auf den Trinkspruch
des Bürgermeisters Dr. Petersen lautete:
„Gestatten Sie, daß Ich Ihnen Meinen wärmsten Dank ausspreche.
Die Art und Weise der Aufnahme seitens der Bevölkerung der Stadt Ham-
burg hat Mich so überwältigt und erfreut, daß Ich es kaum in Worten
auszudrücken vermöchte.
Es ist nicht das erstemal, daß Ich in Ihren Mauern weile; und
wenn Ich damit zu gleicher Zeit ausspreche, daß Ich von ganzem Herzen
und freudig Ihrer Einladung gefolgt bin, so möchte Ich nur damit noch
die Bemerkung verbinden, daß Mir Hamburg eine ganz besonders liebe
Stadt ist.
Wie Sie es richtig vorhin erwähnten, bin Ich schon im Jugendalter
wiederholt hier gewesen. Zweimal — und mit besonderer Freude denke Ich
an jene Zeit; das einemal, als Meine Eltern Meinen Bruder zum Eintritt
in die Marine brachten und Denselben hier in festlicher Weise ein herzlicher
Empfang bereitet wurde, und das anderemal, wie Ich im Gefolge Meines
Hochseligen Großvaters eine jubelnde und begeisterte Hingabe Hamburgs an
Ihn miterleben konnte. Ich sehe auch den heutigen Jubel und die heutige
freudige Festesstimmung, die Mir entgegenschlug, als ein Erbstück dessen an,
was damals Meinem Hochseligen Großvater entgegengebracht wurde.
Um so lieber weile Ich in dieser Stadt, als Mich Mein Weg jedes-
mal, wenn ich zu Meinem Bruder oder zu der von Mir so sehr geliebten
Flotte nach Norden fahre, stets durch Ihre gastlichen Mauern führt
Die Reise, die Sie vorhin erwähnten, habe Ich allerdings unter-
nommen in der Absicht, durch den Frieden, den Ich für Mein Vaterland
befestigen würde, die Industrie und den Handel und die Wohlfahrt des
Landes fördern zu helfen. Meine Herren, der heutige Tag ist ein hochbe-