156 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Oktober 28.)
1) Die Unterdrückung der afrikanischen Sklavenjagden mit ihren die
Menschheit schändenden Gräueln ist gemeinsame Pflicht und Aufgabe aller
christlichen Staaten und die notwendige Vorbedingung der wirklichen Auf-
hebung des Sklavenhandels.
2) Wie Artikel 6 der Kongo-Akte alle Mächte zur Mitwirkung an
der Unterdrückung der Sklaverei und zur Besserung des Loses der Einge-
borenen verbindet, so liegt insbesondere dem Kongo-Staat, England und
Deutschland, die von den arabischen Sklavenhändlern unmittelbar angegriffen
und in ihren Interessen und nationalen Aufgaben verletzt sind, die Pflicht
ob, unter gemeinsamer Verständigung den unvermeidlichen Kampf nachdrück-
lich aufzunehmen und durchzuführen-
3) Wir vertrauen, daß angesichts der in Ostafrika vor allem durch
die arabischen Sklavenhändler hervorgerufenen aufständischen Bewegung die
Ehre der deutschen Flagge und die deutschen Interessen von der Reichs-
regierung wirksam gewahrt werden.
4) Darf ein solches Vorgehen auf die einmütige Unterstützung des
deutschen Volkes ohne Unterschied des religiösen Bekenntnisses und der poli-
tischen Parteiung rechnen, so wird, des sind wir gewiß, auch die tatkräftige
Mitwirkung des Reichstages demselben nicht fehlen.
28. Oktober. (Kaiser Wilhelm und die Berliner Stadt-
vertretung). Die Berliner Stadtvertretung, welche beschlossen
hatte, Kaiser Wilhelm nach seiner Rückkehr ins Deutsche Reich um
die Annahme eines in Berlin zu errichtenden Monumentalbrunnens
zu ersuchen, wird vom Kaiser empfangen. Derselbe dankt für das
„Überraschende Geschenk“, wendet sich dann aber, nach dem „Berl.
Tageblatt“ an die Versammlung mit den Worten:
„Sie berührten da in Ihrer Adresse meine Reise, welche Ich im In-
teresse des Reichs, im Interesse der Erhaltung des Friedens, in ferne Länder
unternommen habe; Ich muß aber hier bemerken, daß es Mich mit tiefer
Betrübnis, zum Teil auch mit Unwillen erfüllt hat, daß in meiner Ab-
wesenheit die Presse in der Hauptstadt Meines Reiches sich eines Gegen-
standes bemächtigt hat, der nur Meine Familie angeht. Jeder Privatmann
würde solche Einmischung zurückweisen. Dergleichen Vorgänge müssen die
Beteiligten sehr unangenehm berühren, und kann ich die Herren nur ersuchen,
ihren Einfluß in dieser Richtung geltend zu machen.“ Zum Schluß wurde
der Kaiser wieder freundlicher und entließ die Herren mit folgenden Worten:
„Ich habe zu meinem ständigen Aufenthaltsorte meine Vaterstadt Berlin
gewählt und werde mich freuen, den Bürgern meiner Haupt= und Residenz-
stadt bald nahe zu sein.“"
Den Schluß der Audienz schildert die „Nat. Ztg.“ dagegen
folgendermaßen:
„Nach nochmaligem Danke verließen Majestät sehr ernst, ohne dem
Oberbürgermeister die Hand zu reichen und sich die Herren vorstellen zu
lassen, den Saal.“
Um gegenüber der allerhöchsten Rede einen festen Anhalt zu
haben, hatte sich Oberbürgermeister von Forkenbeck an das kaiser-
liche Zivilkabinet gewandt und um den authentischen Wortlaut der