204 Die Östereichisch-Ungarische Monarchie. (Januar Anf.—11.)
dies gewährt, allein wenn ich um meine Wohlmeinung befragt werden sollte,
werde ich mich dagegen aussprechen, weil die lateinische Liturgie der katho-
lischen Kirche zum Ruhme gereicht, umsomehr, als durch dieselbe dem Volke
gar nichts entzogen wird."
Pfarrer Ljubik erwidert: Wolle man sich an die Regierung wen-
den, so würde man eine Antwort nicht erhalten. Auch den Rat des Erz-
bischofs könne er nicht befolgen, oder nur dann, wenn ihm als Geistlicher
befohlen würde, in glagolitischer Sprache zu zelebrieren. Es handle sich um
ein Verbot, welches die ganze Nation berühre, deren Privilegien er gewahrt
wünsche. Die Erhebung des Landesausschusses werde den Beweis erbringen,
daß das Rundschreiben des Nuntius auf Dalmatien keine Anwendung zu
finden habe, denn man wolle nichts neues, sondern nur das ererbte Recht
erhalten wissen.
Schließlich wird der Antrag mit allen gegen 5 (des Exzbischofs und
der 4 Mitglieder der italienisch-verfassungstreuen Partei) Stimmen ange-
nommen, da auch alle katholischen Großkroaten mit den orthodoxen Serben
dafür sich erklären.
Anf. Januar. (Mähren: Tschechisierung.) Beim Ober-
landesgericht in Brünn wird der durch Verordnung des Justiz-
ministers neugebildete tschechische Senat eingerichtet. Um die ge-
nügende Anzahl der tschechischen Sprache mächtiger Richter zusammen-
zubekommen, werden zwei von den 6 Stellen durch Neuernennung,
eine provisorisch mit einem Deutschen besetzt.
4. Januar. (Küstenland.) Der Landtag erhebt einstimmig
Protest gegen den Beschluß des Landesschulrats, die deutsche Sprache
in den Volksschulen als Unterrichtsgegenstand einzuführen.
11. Januar. (Ungarn: Kriegsfrage.) Abg.-Hs. Die
Abg. Ignaz Helfy und Nikolaus Perczel bringen Interpella-
tionen über die Spannung mit Rußland ein.
Helfy stellt 5 Anfragen folgenden Inhalts: 1) Ob der Min.Präs.
geneigt sei, über den Umfang der russischen Rüstungen an der österreichisch-
ungarischen Grenze den Tatbestand dem Hause mitzuteilen: 2) ob von seiten
des auswärtigen Amtes Schritte geschehen seien, Ursache und Zweck der un-
erwarteten russischen Kriegsrüstungen zu erfahren? 3) ob die Regierung ent-
schlossen sei, unerschütterlich an ihrer von der gesamten Nation gebilligten
bulgarischen Politik festzuhalten, wie sie der Min.-Präs früher entwickelt
habe, nämlich daß den Balkanvölkern die Möglichkeit gesichert bleibe, sich
zu unabhängigen Staaten zu entwickeln und daß dort keine einzige fremde
Macht irgend ein Protektorat oder dauernden Einfluß nicht ausüben dürfe?
4) ob die Regierung zur definitiven Regelung der bulgarischen Frage durch
eine Konferenz den Zeitpunkt für gekommen erachte? 5) Könne, wenn der
Friede nicht zu erhalten sei, die Nation mit Sicherheit auf das deutsche und
italienische Bündnis rechnen?
Die in maßlosen Angriffen auf Rußland begründete Interpellation
Perczels, welcher deshalb wiederholt von dem Präsidenten unterbrochen und
zur Zurückhaltung ermahnt werden muß, gipfelt in der ungestümen Anfrage,
ob die Regierung den Zeitpunkt nicht für gekommen erachte, das auswärtige
Amt zu veranlassen, Rußland kategorisch aufzufordern, daß es seine Kriegs-
rüstungen nicht nur einstelle, sondern seine Truppen an den Grenzen der