212 Die Öesterreichisch-Ungarische Monarchie. (Januar 22.)
trauensmännern des Tschechen-Großgrundbesitzer- und deutschen Klubs
behufs Verständigung über den Wiedereintritt der Deutschen in den
Landtag nicht einzugehen und den bezüglich der Ausgleichsverhand-
lungen gepflogenen Briefwechsel zwischen dem Landmarschall und
Dr. Schmeykal zu veröffentlichen. Sie lauten:
I. Fürst Lobkowitz an Dr. Schmeykal.
„Ich erlaube mir, die Abhaltung einer Konferenz vorzuschlagen, zu
welcher unter meinem Vorsitze Vertreter der Majorität und Minorität des
Landtages, nämlich einerseits des Klubs der Großgrundbesitzer und des Cesky
klub, andererseits des Klubs der deutschen Abgeordneten zu dem Ende zu-
sammentreten, um womöglich ein gegenseitiges Einverständnis darüber zu
erzielen, unter welchen Voraussetzungen die deutschen Abgeordneten wieder
in den Landtag eintreten werden.
Zu dieser Konferenz entsenden die Vertrauensmänner der genannten
drei Klubs für jeden Klub je zwei bis vier Mitglieder, so daß die Konferenz
außer dem Vorsitzenden aus mindestens sechs und höchstens zwölf Mitgliedern
bestehen würde.
Es würde von dem Verlaufe und den Ergebnissen dieser Konferenz
abhängen, ob und in welcher Form auch die k. k. Regierung zur Teilnahme
an derselben einzuladen sei.
Als Grundlage der Beratung erlaube ich mir die nachstehenden Punkte
vorzuschlagen, ohne daß hierdurch ausgeschlossen sein soll, daß, wenn die Kon-
ferenz zusammengetreten sein und ihre Beratungen begonnen haben wird,
mit allseitigem Einverständnisse auch andere Punkte in den Kreis ihrer Er-
örterungen gezogen werden:
1) Die Sicherung einer Kurie im Landtage für die nationale Mi-
norität. Zu diesem Zwecke wären die Landesordnung und die Geschäftsord-
nung des Landtages in der Weise abzuändern, daß an die Stelle der jetzigen
drei Kurien, nämlich: der Kurie des Großgrundbesitzes, der Kurie der Städte,
Industrieorte und der Handels= und Gewerbekammern und der Kurie der
Landgemeinden drei andere Kurien treten, nämlich: die Kurie des Groß-
grundbesitzes, die Kurie der böhmischen Städte und Landgemeinden und die
Kurie der deutschen Städte und Landgemeinden. Die Einreihung der Ab-
geordneten der Städte und Landgemeinden, sowie der Handels= und Gewerbe-
kammern in die beiden letzteren Kurien würde gesetzlich festgestellt unter Be-
rücksichtigung des gegenwärtig bestehenden faktischen Ergebnisses der Wahlen;
Änderungen an dieser Einreihung könnten nur im Wege des Gesetzes statt-
finden.
2) Regelung der Sprachenfrage bei den Gemeinden und Bezirksver-
tretungen. Diese Regelung würde im Wege eines Landesgesetzes erfolgen,
in welchem folgende Grund sätze zum Ausdrucke gelangen: a) Jede Gemeinde
und jede Bezirksvertretung bestimmt selbst ihre Verhandlungssprache oder
(bei gemischten Gemeinden und Bezirken) ihre Verhandlungssprachen. b) Zu-
schriften und Eingaben in der anderen als der Verwaltungssprache der Ge-
meinde oder Bezirksvertretung sind zwar anzunehmen, doch erfolgen die Er-
ledigungen in der Verhandlungssprache der Gemeinde oder Bezirksvertretung.
c) Die Sprache einer nationalen Minorität in einer Gemeinde oder in einem
Vertretungsbezirke ist, wenn diese Minorität einen im Gesetze näher zu be-
zeichnenden aliquoten Teil der Bevölkerung bildet, entsprechend zu berück-
sichtigen. d) Die Städte mit eigenem Statute erledigen die Eingaben in
beiden Sprachen.
3) Modifizierung der in Bezug auf den Gebrauch der beiden Landes-