222 Die Österreichisch- Ungarische Monarchie. (Januar 28.)
oder gar zu dem Zwecke in die Welt geschleudert werden, damit durch die-
selben hie und da im Innern des Staates eine Beunruhigung, eine Spal-
tung hervorgerufen oder das gegenseitige Vertrauen der alliierten Mächte zu
einander erschüttert werde. Es mag denselben einmal dieser, ein anderesmal
jener Zweck zur Grundlage dienen; doch ist es die Aufgabe eines jeden
Politikers, der auf Beachtung Anspruch erheben kann, sich durch derlei Ge-
rüchte nicht irreführen zu lassen und namentlich nicht sofort daraus Schlüsse
zu ziehen, die — weil auf falschen Prämissen beruhend — hinfällig sein
müssen. Die Folge einer solchen Irreführung ist es, wenn jemand, wie der
Herr Abg. Helfy in seiner Rede, die schwerwiegendsten Konsequenzen aus
angeblichen Einmischungen und Konflikten ableitet, die unser Minister des
Äußern bezüglich politischer Entscheidungen zu bestehen habe; daß aber
daran kein wahres Wort ist, wurde bereits, auch durch die Zeitungen, von
kompetentester Stelle bekannt gegeben. Ein ähnliches wäre, wenn jemand
fragen würde, wie dies in den Zeitungen ebenfalls behauptet wurde, ob es
wahr sei, daß der Kriegsminister anläßlich meiner letzten Anwesenheit in
Wien um einen Kredit für militärische Vorbereitungen nachgesucht habe,
welcher jedoch infolge meines Widerspruches verweigert wurde; denn auch
hieran ist kein Sterbenswörtchen wahr. Und so ist es auch, wenn die bereits
den Ausdruck eines Zweifels involvierende Frage an mich gerichtet wird, ob
wir darauf vertrauen können, daß unsere Alliierten dasjenige erfüllen werden,
was wir von ihnen zu erwarten berechtigt sind. Wenn wir sehen, daß man
uns bald in der einen, bald in der andern Form aufmerksam macht, auf der
Hut zu sein, weil wir uns in dem Bertrauen auf unsere Alliierten täuschen
werden; und wenn dann wieder jene aufmerksam gemacht werden, acht zu
geben, weil sie sich in uns täuschen werden; wenn man bald das Gerücht
ausstreut, daß wir einseitig paktieren wollen, bald wieder bemerkt, daß dies
der eine oder der andere unserer Alliierten beabsichtige, so ist es unmöglich,
nicht einzusehen, daß es im Interesse irgend jemandes gelegen sein muß, den
Friedensbund zu stören oder wenigstens das gegenseitige Vertrauen der Mit-
glieder desselben zu erschüttern und auch in den betreffenden Völkern eine
die Tatkraft lähmende Beunruhigung hervorzurufen. Diesen Ausstreuungen
steht die Tatsache gegenüber, daß nicht der geringste Grund vorhanden ist,
daß irgend jemand an der gegenseitigen bona fides der zur Aufrechthaltung
des Friedens und zu ihrer eigenen Sicherheit verbundenen Mächte zweifeln könne.
Daß Rußland eine einschneidende Dislokation und Verlegung seiner
Truppen gegen Westen vornimmt, ist sattsam bekannt, sowie auch, daß die
Durchführung dieses seit längerer Zeit bestehenden Planes in der Richtung
der Grenzen dieser Monarchie in neuerer Zeit in größerem Maße erfolgte.
Eben deshalb, jedoch ohne irgend einen Zweifel in die friedfertigen Erklä-
rungen Sr. Majestät des Kaisers von Rußland und in dessen wohlwollende
Absichten zu setzen, und indem wir selbst die von russischer Seite gegebenen
Interpretationen, welche in betreff jener Truppenbewegungen jede aggressive
kriegerische Absicht bestreiten, so weit annehmen, als es die Vorsicht für die
eigene Sicherheit gestattet, ist es unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß bei
Vermeidung all dessen, was den Schein einer Provokation haben könnte, das
für alle Fälle Nötige geschehe, was die Sicherung unserer Grenzen und die
Wehrfähigkeit unserer Armee erfordert.
Die Ziele und Prinzipien unserer auswärtigen Politik sind den Völ-
kern der Monarchie und aller Welt bekannt. In dieser Hinsicht habe ich
mich geäußert und hat sich auch der Minister des Äußern ausgesprochen.
Jeder weiß es, daß wir für uns gar nichts, weder eine vertragswidrige
Ausdehnung unseres Einflusses, noch gar irgend einen Territorial-Zuwachs
anstreben, wie dies uns lügnerischerweise zugeschrieben wird. Auf der Basis