Die Österreichische-Ungarische Menarchie. (April 19. 25.) 247
19. April. (Österreich: Abgeordnetenhaus.) Schluß
der General-Debatte über den Staatsanschlag.
Abg. Schuklje (Slow.) wendet sich als Generalredner der Rechten
gegen das Ministerium Taaffe, von dem er sagt, es sei nicht Fleisch vom
Fleisch der Rechten. Vor allem das Verhalten des Unterrichtsministers
gegenüber den Versuchen der Einführung der slowenischen Sprache in den
slowenischen Gebieten beweise dies.
Abg. Mattusch (alttschech.) geht als Generalberichterstatter auf die
Bemerkungen des Abg. v. Plener bezüglich der Ausgleichsverhandlungen
zwischen Tschechen und Deutschen ein. Die Tschechen allein, bemerkt er,
wären es gewesen, die ihr Streben nach einem Ausgleiche nicht durch Worte
sondern durch Tatsachen erwiesen hätten.
20. April. (Österreich: Abgeordnetenhaus.) Bei der Ver-
handlung über den Dispositionsfond kommt es zu stürmischen Auftritten.
Nachdem Abg. Herbst namens seiner politischen Freunde die Erklä-
rung abgegeben, daß sie die Bewilligung des Dispositionsfonds als Ver-
trauensfrage auffassen und deshalb, wie seit neun Jahren, gegen denselben
stimmen würden, erhebt sich Abg. Dr. Lüger zu einem heftigen Angriff gegen
die deutsch-liberale Partei, die, so oppositionell sie sich stelle, in Wahrheit
die treueste Stütze des Ministeriums sei. Während sie im Parlament gegen
das Ministerium donnerten, schlichen sie sich durch Hintertüren bei den
Ministern ein, von denen sie heimlich Händedrücke und was sie sonst wollten
erhielten. Als sich infolge dieser Behauptungen der furchtbarste Tumult im
Hause erhebt und man den Redner auffordert, Namen zu nennen, lehnt er
dies ab mit der Bemerkung, Abgeordnete dürfe man nicht interpellieren.
Namens der Deutschliberalen antwortet Abg. Weitlof und stellt
Lueger vor die Alternative, entweder Namen zu nennen oder es einzustecken,
wenn man ihn als Verleumder und Ehrabschneider bezeichne. Als Redner
dann noch den Liechtensteinschen Schulantrag streift und die Frage auswirft,
ob Dr. Lueger auch für diesen eintreten würde, bejaht es letzterer. Da stürzt
Abg. Gregr auf ihn zu und ruft: „Dann ist es eine Schande für Siel Es
ist eine Schande, daß ein solcher Abgeordneter noch die Stimmen der Tsche-
chen in Wien bekommt!“ Im Hause herrscht die lebhafteste Erregung. Die
Vertreter der deutschliberalen Partei eilen auf Gregr zu, um ihm die Hände
zu schütteln. Zur Verwunderung aller Parteien ergibt die Abstimmung:
Ablehnung des Dispositionsfonds mit 128 gegen 116 Stimmen.
25. April. (Österreich: Der Antrag Liechtenstein und
die Polen.) Der Polen-Klub diskutiert über die Erklärung, mit
welcher die Zustimmung zur Zuweisung des Antrages Liechtenstein
an einen Ausschuß im Plenum des Hauses motiviert werden soll.
Abg. Hausner legt einen Entwurf dieser Erklärung vor. Derselbe
besagt, daß der Polen-Klub für die Zuweisung an einen Ausschuß stimme,
weil er es für seine Pflicht halte, diesem Wunsche des mit ihm politisch eng
verbundenen Liechtenstein-Klubs zu entsprechen, da dieser auf diese Zuweisung
einen so großen Wert legt. Der Polen-Klub sei sich aber bewußt, daß der
Antrag Liechtenstein in seinen Zielen schädlich auf die Entwicklung der Volks-
schule wirken würde, ja daß er von verderblichem Einflusse wäre und daß
der Klub namentlich mit Rücksicht auf die Verhältnisse Galiziens nicht in
der Lage wäre, dem Inhalte dieses Antrages zuzustimmen. — Abg. Pater
Kopycinski sprach sich hierauf in ausführlicher Rede für den Antrag