2418 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (April 25.)
Liechtenstein aus. — Abg. Fürst Czartoryski befürwortet die Formulie-
rung der Erklärung im Sinne des ersten Teiles des Hausnerschen Vor-
schlages, wünscht aber alle Ausfälle gegen den Inhalt des Schulantrages
vermieden zu sehen. — Abg. Lewakowski meint, es zeige sich immer mehr
gerade durch die heutige Debatte, daß die vorliegende Frage eine rein kon-
fessionelle Frage, eine Frage der Überzeugung sei, daß dieselbe daher gar
nicht als politische Parteifrage zu behandeln wäre. Man möge dies umso-
mehr vermeiden, als die Aufwerfung der Klubfrage über diese Angelegenheit
gerade im gegenwärtigen Momente, vor der Debatte über die Branntwein-
steuer, dem Klub den Vorwurf nicht ersparen werde, er habe sich zu diesem
Opfer in erster Reihe aus dem Grunde herbeigelassen, weil er die Zustim-
mung des Liechtenstein-Klubs für diese Vorlage damit erkaufen wollte. Man
müsse diesem Vorwurfe damit begegnen, daß man dafür Sorge trägt, die
Verhandlung über den Antrag Liechtenstein bis nach Erledigung der Brannt-
weinsteuer-Vorlage zu vertagen. — Diesen Ausführungen tritt Obmann
v. Grocholski mit großem Nachdruck entgegen. Es gehe nicht an, meint
er, den Liechtenstein-Klub in solcher Weise zu brüskieren. Fürst Liechtenstein
habe sich im vornhinein mit jeder Motivierung zufrieden erklärt, welche der
Polen-Klub seiner Abstimmung beizufügen beschließen sollte, er bestehe aber
darauf, daß der Polen-Klub für die Zuweisung des Antrages stimme. Würde
der Polen-Klub es ablehnen, sich für diesen Wunsch zu entscheiden, dann sei
die Gefahr da, daß der Liechtenstein-Klub der Majorität des Hauses Ver-
legenheiten bereiten könnte, welche in ihren Konsequenzen zur Sprengung der
Majorität und zum Sturze des Regierungssystems führen könnten; das aber
sei eine Gefahr, welche den Polen-Klub zwinge, alles anzuwenden, um den
Fürsten Liechtenstein und die Mitglieder seines Klubs in der Schulfrage zu-
frieden zu stellen. Für ihn sei es daher ganz zweifellos, daß die heute zu
entscheidende Frage keineswegs eine religiöse oder eine bloße Gewissensfrage
bedeute, er würde auch gar nicht eine Abstimmung darüber zulassen, ob es
sich um eine bloße konfessionelle Frage handle, es sei vielmehr ganz zweifel-
los, daß es sich um eine politische Frage handle, zu welcher der Klub durch
Beschluß Stellung nehmen müsse.
Am folgenden Tage wird die Debatte über den Antrag
Liechtenstein fortgesetzt. Die Opposition im Klub wehrt sich noch-
mals in der energischesten Weise gegen den ihr auferlegten Ge-
wissenszwang und gibt nicht zu, daß vom Polen-Klub auch die
Frage der Konfessionalisierung der Schule rein nur vom Standpunkte
der politischen Interessen-Vertretung beurteilt werden müsse. Aber
die Majorität erklärt sich entschlossen, für die Zuweisuug des
Liechtensteinschen Antrages an den Ausschuß im Interesse des Bun-
desverhältnisses zu stimmen, welches die Fraktionen der Rechten
an einander kettet und die Unterstützung des Liechtenstein-Klubs in
der Branntweinsteuer sichert.
Am 29. April einigt sich der Klub über die definitive Er-
klärung, mit welcher er seine Abstimmung für die Zuweisung des
Liechtensteinschen Antrages motivieren will. Diese Erklärung, gegen
welche von den in der Sitzung Anwesenden nur mehr sechs Mit-
glieder des Klubs stimmen, lautet: