270 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (August 2.—15.)
Anstalten mit nicht ungarischer Unterrichtssprache vorgeschrieben, was aber
bei der Tyrnauer Präparandie, die eine durchaus ungarische ist, nicht zutreffe.
2. August. (Ungarn: Tschechische Angriffe gegen
Ungarn.) Das Regierungsblatt „Nemzet“ verzeichnet die fort-
gesetzten heftigen Angriffe der tschechischen Presse gegen Ungarn und
nimmt die Ausführungen des alttschechischen „Hlas Naroda“, wo-
nach der Besuch des Kaisers Wilhelm in Petersburg ein Haupt-
schlag gegen den magyarischen Chauvinismus sei, zum Ausgangs-
punkte folgender Bemerkungen.
„Wir haben darüber nachgedacht, was eigentlich der magyarische
Chauvinismus mit der Sache zu schaffen hätte, und gelangten zu dem Er-
gebnisse, daß der Kaiserbesuch mit demselben gar nichts, wohl aber mit der
auswärtigen Politik der österreichisch-ungarischen Monarchie zu schaffen habe.
Diese Politik zählte auf das deutsche Bündnis. Wenn also der Besuch des
deutschen Kaisers in Petersburg zu bedeuten hätte, daß diese Rechnung eine
verfehlte gewesen sei, dann wäre dies unzweifelhaft eine Niederlage dieser
Politik. Wir sehen aber die Ereignisse nicht in diesem Lichte, und die ge-
samte ernste Presse der Welt teilt diese Auffassung. Doch die Tschechen,
auch die Alttschechen, welche die auswärtige Politik des Grafen Kalnoky in
der Delegation unterstützt hatten, sehen sie in diesem Lichte, und es ist be-
zeichnend für ihre Aufrichtigkeit und Zuverlässigkeit, daß sie sich dessen freuen
und sich beeilen, die von ihnen vorausgesetzte fiktive Niederlage als diejenige
des magyarischen Chauvinismus darzustellen, woraus für die Tschechen und
Slawen überhaupt sich ein Grund ergebe, einen Sieg ihrer Auffassung zu
verkünden. Niemals noch haben es politische Faktoren gewagt, ihre Freude
über den gar nicht vorhandenen, sondern eingebildeten Mißerfolg der Politik
ihres Vaterlandes zu verkünden, wie dies die tschechischen Blätter in Prag
tun. Es ist unsere Überzeugung, daß dieses Verfahren nur sein gutes
habe; es wird dazu beitragen, daß jene Schule der politischen Doppelzüngig-
keit, welche in einem Atem ihre Treue zum Staate und zur Monarchie be-
teuert und gleichzeitig auf eine Schädigung der Interessen der Monarchie
rechnet, sich rasch abnütze. Dies wollten wir konstatieren."“
14. August. (Die Affäre v. Kuhn.)
Der neue Korpskommandant in Graz, Feldzeugmeister Baron Schön-
feld, beruft sämtliche Offiziere, drückt ihnen namens des General-Inspektors,
Erzherzogs Albrecht, das Bedauern über die Kundgebungen anläßlich des
Abschiedes Kuhns aus und teilt offiziell mit, daß mit Rücksicht auf diese
Kundgebungen der Kaiser dem Korpsmanöver in Untersteiermark fernbleiben
werde. (Vgl. S. 264.)
15. August. (Österreich: Abgeordneter Mattusch.)
In einer im Rathause zu Jungbunzlau abgehaltenen Wählerver-
versammlung erstattet der Abgeordnete für den dortigen Städte-
bezirk, Mattusch, seinen Rechenschaftsbericht.
Redner weist die gegen ihn von jungtschechischer Seite erhobenen Vor-
würfe zurück, daß er der deutschen Sprache auf Kosten der tschechischen eine
zu große Bedeutung beilege; er habe die Notwendigkeit der deutschen Sprache
als Verkehrssprache aller Gebildeten im vielsprachigen Österreich anerkannt.
Hiebei müsse er auch beharren. Er erklärt, daß dies vermöge der staatlichen
und geschichtlichen Entwicklung dieses Reiches immer so bleiben werde, da