280 Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (November 1. Hälfte.)
unzureichenden Körperentwickelung der Zwanzigjährigen. Die Stellungspflicht
erstreckt sich auf drei Altersklassen (21., 22., 23. Lebensjahr), bisher war
die Ausdehnung auf eine vierte ausnahmsweise zulässig gewesen.
Das Wehrgesetz enthält keine Kriegsstandziffer mehr, dagegen wird
den Berechnungen die bisherige Ziffer zu Grunde gelegt und zugleich Rück-
sicht darauf genommen, daß jener Stand (800.000 Mann) effektiv erreicht
wird. Danach wird das jährliche Rekrutenkontingent für Heer und Kriegs-
marine für die nächsten 10 Jahre auf 103.100 Mann festgestellt. Das bis-
herige Kontingent betrug 95.474 Mann, es ist also eine Steigerung von
7.626 Mann vorgesehen. Hiervon beträgt das österreichische Kontingent
60.389, das ungarische 42.711 Mann. Je nach dem Ausfall der nächsten
Volkszählung wird von da ab eine anderweite Verteilung eintreten. Die
beiden Landwehren erhalten künftig ebenfalls ein festgestelltes Rekrutenkon-
tingent, und zwar soll dasselbe für die K. K. Landwehr (ohne Tirol) 10.000
Mann, für die ungarische 12.500 Mann jährlich betragen. Erst nach voll-
ständiger Deckung des Rekrutenbedarfs für das Heer und die Landwehr wird
zur Aushebung für die Ersatzreserve geschritten; in letztere werden alle ver-
bleibenden Rekruten als Überzählige eingeteilt. Diese werden zwischen dem
Heer und der Landwehr im Verhältnis zu deren Rekrutenkontingenten ver-
teilt. Bisher hatte die Ersatzreserve nur zehn Prozent der für das Heer
Ausgehobenen betragen, für die Landwehr bestand eine solche nicht. Außer
den Überzähligen werden der Ersatzreserve noch gewisse Kategorien von vorn-
herein zugeteilt, wie Kandidaten des geistlichen Standes, Lehrer und Unter-
lehrer, Besitzer ererbter Landwirtschaften, aus Familienrücksichten zeitlich Be-
freite, Mindertaugliche. Die Ersatzreserve wird im Frieden 8 Wochen hin-
durch militärisch ausgebildet und nimmt an den periodischen Waffenübungen
der Reserve 3 zu 4 Wochen teil. Die drei jüngsten Jahrgänge können ebenso
wie der jüngste Jahrgang der Reserve zur Verstärkung des aktiven Heeres
herangezogen werden.
Das Militärminimalmaß wird für künftig von 1,554 m auf 1,55 m
herabgesetzt.
Für das Institut der Einjährig-Freiwilligen sind sehr wichtige Än-
derungen in der Vorlage enthalten. Da die Zahl der Reserve-Offiziere,
welche aus demselben hervorgehen, eine verhältnismäßig geringe ist, dafür
aber der Reserve des Heeres eine Menge wenig tauglicher Unteroffiziere
daraus erwachsen, so sollen künftig alle Einjährig-Freiwilligen, welche am
Ende des ersten Dienstjahres die Offiziersprüfung nicht bestehen, ein zweites
Jahr dienen, an dessen Schlusse sie sich nochmals der Prüfung unterziehen
dürfen. Die aktive Dienstzeit soll künftig nur der militärischen Ausbildung
gewidmet sein, auch steht den Einjährig-Freiwilligen die Wahl der Garnison
nicht mehr frei.
Aus dem ungarischen Landwehrgesetz ist hervorzuheben, daß zwar
auch künftig zur Verwendung der Landwehr außerhalb der Länder der un-
garischen Krone eine Verfügung der Gesetzgebung nötig ist, daß aber diese
Verwendung nicht mehr wie bisher als eine ausnahmsweise bezeichnet wird.
Jene Verfügung dürfte künftig als eine reine Formalität zu betrachten sein,
die keine Fessel mehr auferlegen kann. Es soll eine Territorial-Einteilung
und zugleich der Regimentsverband (statt der bisherigen Halbbrigaden) in
Kraft treten. Die Zahl der Honved-Bataillone (bisher 92) soll künftig keine
begrenzte mehr sein. Nach zwei Jahren Dienstzeit erfolgt der Übertritt
zur Reserve der Landwehr. Die Einjährig-Freiwilligen der Honved-Armee
werden behufs Ausbildung an einzelnen Orten vereinigt.
1. Hälfte November. (Österreich: Jungtschechischer