Die Österreichisch-Ungarische Monarchie. (November 12. — Mitte.) 281
Antrag.) Die Jungtschechen stellen den Antrag, daß im öster—
reichischen Abgeordnetenhause auch alle nichtdeutschen Reden gleich
den deutschen in das Protokoll aufgenommen werden.
12. November und folgd. (Österreich: Wehrvorlage.)
Erste Sitzung des Wehrausschusses des Reichsrates. Die Vertreter
der vereinigten deutschen Linken erklären,
daß sie der Vorlage des Wehrgesetzes gegenüber nicht den Standpunkt
kleinlicher Kritik einnehmen und dem Gesetze nicht jene moralische Unter—
stützung vorenthalten werden, welche in der einmütigen Votierung desselben
seitens aller Parteien liege. Die Opposition beanspruche jedoch von der
Kriegsverwaltung eine gleich loyale Auffassung und die mögliche Milderung
gewisser Bestimmungen der Vorlage. Der Minister für Landesverteidigung,
Graf Welsersheimb, hebt hervor, auch die Regierung betrachte die Wehr-
vorlage als keine parteipolitische und teile die Anschauung, daß dieselbe nur
der allgemeinen Weltlage Rechnung trage. Der Minister rechtfertigt als-
dann die Bestimmungen über die Einjährig-Freiwilligen. Angesichts der
schweren, durch das neue Gesetz in mancher Beziehung noch verschärften La-
sten, welche die Wehrpflicht der großen Masse der Bevölkerung auferlege,
müsse die Forderung, welche an die Angehörigen der gebildeten und bevor-
zugten Klassen gestellt werden, als eine minimale und noch immer als sehr
begünstigende anerkannt werden. Die Verlängerung der einjährigen Prüfung
sei nur als Ausnahme, aber auch als Triebfeder zu betrachten, um die mög-
lichst vollkommene Erreichung des Zieles im ersten Jahre zu fördern. Da-
durch, daß das erste Jahr fast ausschließlich der militärischen Ausbildung
gewidmet werde, sei eine erhöhte Garantie für die Erreichung dieses Zieles
gewonnen.
Am folgenden Tage erklärt der Minister auf eine Anfrage, es werde
Vorsorge getroffen werden, daß die nichtdeutschen Einjährig-Freiwilligen die
Offiziers-Prüfung in ihrer Muttersprache ablegen können; aber die Heeres-
verwaltung müsse Gewicht darauf legen, daß alle Offiziere der Armee gut
deutsch verstehen.
Am 15. November wird die Generaldebatte beendigt und einstimmig
beschlossen, in die Spezialdebatte einzutreten.
Mitte November. (Böhmen: Sarah Bernhardt-Skan-
dal). Die Anwesenheit der französischen Schauspielerin Sarah
Bernhardt in Prag gibt den Tschechen Anlaß zu einer großen Kund-
gebung für Frankreich gegen das Deutschtum.
Bei ihrer Ankunft wird Sarah Bernhardt unter Slawarufen förm-
lich zum Wagen getragen. Vor dem Gasthofe entwickelt sich dann ein lebens-
gefährliches Gedränge, so daß die Polizei nur mit Mühe Ordnung hält. Im
tschechischen Nationaltheater war ein festlich gekleidetes Publikum erschienen.
Nach jedem Akt erscheinen Abordnungen, die untereinander und mit der
Bernhardt um die Wette chauvinistische Reden halten.
Mitte November. (Österreich-Ungarn: Deutsche Ar-
meesprache.) Der ungarische Honvedminister Fejervary erklärt,
von einer Deputation von Studierenden interpelliert, in Bezug auf
den Gebrauch der deutschen Sprache im Dienste:
„Wir werden nur so viel Kenntnis der deutschen Sprache verlangen,