Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

22 Das  deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.) 
In Erwägung, daß beide Monarchen, ähnlich wie in dem früher be- 
standenen Bundesverhältnisse  , durch festes Zusammenhalten beider Reiche, im 
stande sein werden, diese Pflicht leichter und wirksamer zu erfüllen; 
In Erwägung schließlich, daß ein inniges Zusammengehen von Deutsch- 
land und Österreich-Ungarn niemanden bedrohen kann, wohl aber geeignet 
ist, den durch die Berliner Stipulationen geschaffenen europäischen Frieden 
zu konsolidieren, haben Ihre Majestäten der Kaiser von Deutschland und 
der Kaiser von Österreich, König von Ungarn, indem Sie Einander feierlich 
versprechen, daß Sie Ihrem rein defensiven Abkommen eine aggressive Ten- 
denz nach keiner Richtung jemals beilegen wollen, einen Bund des Friedens 
und der gegenseitigen Verteidigung zu knüpfen beschlossen. 
Zu diesem Zwecke haben Allerhöchstdieselben zu Ihren Bevollmäch- 
tigten ernannt: Se. Majestät der Deutsche Kaiser Allerhöchstiren außer- 
ordentlichen und bevollmächtigten Botschafter, General-Lieutenant Prinzen 
Heinrich VII. Reuß etc. etc. Se. Majestät der Kaiser von Österreich, König 
von Ungarn, Allerhöchstiren Wirklich Geheimen Rat, Minister des Kaiser- 
lichen Hauses und des Äußeren, Feldmarschall-Lieutenant Julius Grafen 
Andrassy von Csik-Szent-Kiräly und Kraszna-Horka etc. etc., welche sich zu 
Wien am heutigen Tage vereinigt haben und nach Austausch ihrer gut und 
genügend befundenen Vollmachten übereingekommen sind, wie folgt: 
Artikel I. 
Sollte wider Verhoffen und gegen den aufrichtigen Wunsch der beiden 
Hohen Kontrahenten eines der beiden Reiche von seiten Rußlands angegriffen 
werden, so sind die Hohen Kontrahenten verpflichtet, Einander mit der ge- 
samten Kriegsmacht Ihrer Reiche beizustehen und demgemäß den Frieden 
nur gemeinsam und übereinstimmend zu schließen. 
Artikel II. 
Würde Einer der hohen kontrahierenden Teile von einer anderen 
Macht angegriffen werden, so verpflichtet sich hiermit der andere Hohe Kon- 
trahent, dem Angreifer gegen Seinen Hohen Verbündeten nicht nur nicht 
beizustehen, sondern mindestens eine wohlwollende neutrale Haltung gegen 
den Hohen Mitkontrahenten zu beobachten. 
Wenn jedoch in solchem Falle die angreifende Macht von Seite Ruß- 
lands, sei es in Form einer aktiven Kooperation, sei es durch militärische 
Maßnahmen, welche den Angegriffenen bedrohen, unterstützt werden sollte, so 
tritt die im Artikel I dieses Vertrages stipulierte Verpflichtung des gegen- 
seitigen Beistandes mit voller Heeresmacht auch in diesem Falle sofort in 
Kraft und die Kriegführung der beiden Hohen Kontrahenten wird auch dann 
eine gemeinsame bis zum gemeinsamen Friedensschluß. 
Artikel III. 
Dieser Vertrag soll in Gemäßheit seines friedlichen Charakters und 
um jede Mißdeutung auszuschließen, von beiden Hohen Kontrahenten geheim 
gehalten und einer dritten Macht nur im Einverständnisse beider Teile und 
nach Maßgabe spezieller Einigung mitgeteilt werden. 
Beide Hohe Kontrahenten geben Sich nach den bei der Begegnung 
in Alexandrowo ausgesprochenen Gesinnungen des Kaisers Alexander der 
Hoffnung hin, daß die Rüstungen Rußlands sich als bedrohlich für Sie in 
Wirklichkeit nicht erweisen werden, und haben aus diesem Grunde zu einer 
Mitteilung für jetzt keinen Anlaß, — sollte sich aber diese Hoffnung wider 
Erwarten als eine irrtümliche erweisen, so würden die beiden Hohen Kon- 
trahenten es als eine Pflicht der Loyalität erkennen, den Kaiser Alexander 
mindestens vertraulich darüber zu verständigen, daß Sie einen Angriff auf 
Einen von Ihnen als gegen Beide gerichtet betrachten müßten.
	        
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