308 Eroßbritannien. (Juni 21.—Juli Anfang.)
Die Vorlage läßt die Erblichkeit der Peerswürde, deren Abschaffung
Lord Nosebery gefordert hatte, unangetastet. Sie ermächtigt die Königin,
jährlich nicht mehr als fünf Peers auf Lebenszeit zu ernennen, von denen
drei entweder zwei Jahre lang Richter eines obersten Gerichtshofes in irgend
einem Teile des Reiches gewesen sein, in der Marine mindestens den Rang
eines Kontre-Admirals, in der Armee mindestens den Rang eines General-
majors bekleiden, oder außerordentliche Botschafter oder fünf Jahre General-=
Gouverneur oder Gouverneur einer Kolonie oder Gouverneur in Indien ge-
wesen sein müssen. Die übrigen zwei lebenslänglichen Peers müssen es in
anderer Weise zu einer gewissen Berühmtheit gebracht haben. Die Gesamt-
zahl der lebenslänglichen Peers darf niemals fünfzig überschreiten. Andere
Bestimmungen der Vorlage betreffen die sogenannten „schwarzen Schafe"
und ermächtigen die Königin, auf besonderen Antrag des Hauses Peers, die
sich ihrer Stellung unwürdig gemacht haben, zeitweilig oder gänzlich aus
dem Hause zu verstoßen.
21. Juni. (Versammlung der konservatiben Partei.)
Marquis of Salisbury lädt die konservativen Parlaments-Mit-
glieder zu einer Besprechung im Auswärtigen Amte ein,
in der er die Oppositionen einiger Mitglieder im Unterhause bei der
Lokalverwaltungs-Bill tadelt. Der Mangel an Einigkeit könnte eines Tages
eine derartige Niederlage der Regierung herbeiführen, daß ein Appell an das
Land notwendig wäre.
Der erste Lord des Schatzes, Smith, erklärt, wenn er nicht das Ver-
trauen der Konservativen als Führer der Partei im Unterhause besitzen sollte,
sei er bereit, seine Stellung niederzulegen. Die Versammlung votiert Salis-
bury und Smith ihr volles Vertrauen.
27. Juni. (Kanal-Tunnel-Bill.) Das Unterhaus lehnt
in zweiter Lesung die Bill, betr. den Bau eines Kanal-Tunnels,
mit 307 gegen 165 Stimmen ab.
Gladstone, welcher 1884 und 1885 gegen den Antrag gestimmt
hatte, tritt jetzt für denselben ein.
29. Juni. (Oberhaus) nimmt den Antrag Wemyß“ an,
welcher die Vorschläge der Regierung für die Landesverteidigung
billigt und weitere Maßregeln zur genügenden Sicherung des Reiches
und dadurch zur Erweckung des gerechten Vertrauens des Landes
erwartet. Marquis of Salisbury acceptiert den Antrag, sowie das
in demselben ausgedrückte Vertrauen.
Anfang Juli. (Die irische Frage.) Das „Freemans
Journal“ publiziert ein langes Schriftstück, das Ergebnis der kürz-
lich in Maynooth von den irischen Bischöfen gepflogenen Beratungen,
über den Zustand der Landesgesetze in Irland.
Die Bischöfe verlangen im Interesse der Ordnung und Gerechtigkeit
schleunige Remedur der dringendsten Beschwerden. Ein ungparteiischer Ge-
nichtshaf solle die Verhältnisse zwischen Gutsherren und Pächtern entscheiden
und die letzteren sollten gesetzlich gegen übermäßige Pachtzinsen und Aus-
treibung geschützt sein. Im Falle der Nichtzahlung der Pachtzinsen müsse
der Gerichtshof die Vollmacht haben, die Rückstände zu mindern oder zu