Frankreich. (März 19.—20.) 327
19. März. (Die äußerste Linke und Boulanger.) Die
äußerste Linke hält eine Versammlung ab, in der sie die Haltung
Boulangers tadelt. Zum Schluß stellt sie folgendes Manifest auf:
Die unterzeichneten Abgeordneten, Mitglieder der äußersten Linken,
protestieren gegen die Wahlmanifestationen für den Namen des Generals
Boulanger. Sie sind ergeben den beiden Ideen der Wiederherstellung des
Vaterlandes und der Begründung der Republik auf demokratischer Grund-
lage. Entschlossen, ohne Schwäche den Kampf gegen den die Geister erre-
genden Unverstand fortzusetzen, dringen wir in die Wähler, ihr Werk zu
verbessern, und verlangen genau unschriebene Mandate und entschlossene
Männer. Solcherart stimmen wir in dem Grundprinzip der Republik überein:
dem Gehorsam für den nationalen Willen. Für einen General, der seinen
Degen nicht abgeben will, zu stimmen, würde ein wahres Plebiszit bedeuten.
Wie die Republikaner aller Zeiten, verabscheuen auch wir das Plebiszit,
denn dasselbe bedeutet die Abdankung des freien Volkes. Die Revolution
begründete unsere Freiheiten und rettete unser Gebiet, indem sie den ruhm-
vollsten Soldaten nach unsterblichen Siegen nötigte, sich vor dem Gesetze zu
beugen. Zu jener Zeit schwiegen die Generale. Das Eindringen der Mi-
litär-Chefs in die Politik ist nicht bloß eine Bedrohung der freien Institu-
tionen des Landes, es entwaffnet auch dasselbe, indem es die Kräfte des
Landes spaltet dem Auslande gegenüber. Es hatte immer die Unterdrückung
unserer Rechte als Ergebnis und eine Niederlage als Züchtigung. Somit
beschwören wir alle guten Bürger, von den gefährlichen Kundgebungen ab-
zulassen im Namen der Ueberlieferungen und Grundsätze der Demokratie und
im Interesse des Vaterlandes und der Republik.
Der Verfasser dieses Aufrufes ist Sigismond Lacroix; unter-
zeichnet ist das Schriftstück von allen hervorragenden Namen der
radikalen Partei, im ganzen 51 Unterschriften. Infolge dieses
Schrittes treten die Mitglieder der Partei Laguerre, Laisant und
Drugnol aus.
20. März. (Kammer.) Die Verhandlung der Interpellation
Cassagnacs führt zu den stürmischsten Auftritten. Cassagnac schließt
seine Rede, die von allen Seiten des Hauses beständig unter-
brochen wird:
Er sei kein Freund Boulangers, er würde die Maßnahmen gegen
Boulanger an und für sich nicht tadeln, aber indem man ihn mit Spionen
verfolgte und ihn zum Gegenstande polizeilicher Schnüffelei machte, habe
man die ganze Armee beleidigt. (Lärm links, Rufe rechts: So ist es!) Nicht
weil er gegen die Disziplin gefehlt, nein, aus Furcht vor ihm verfolge ihn
die republikanische Partei, welche ihn vor den Wahlen unschädlich machen
wolle. Die Popularität Boulangers sei ein Ergebnis der Unpopularität der
Kammer. Clemenceau klagte, man habe der republikanischen Partei die
lopulariei gestohlen; jetzt wolle man denjenigen verhaften, der sie gestohlen
abe. (Lachen rechts, anhaltende Unruhe links.) Er glaube nicht, daß
Boulanger der Mann sei, der einen Staatsstreich machen könnte; aber
im Lande herrsche ein Geist, der auf der Suche nach einem Manne sei.
Die wahren Prätendenten müssen im Exil leben, und nun erhebe sich ein
illegitimer Prätendent aus der Mitte der Republikaner. (Lebhafter Wider-
spruch links.)