Italien. (März Ende — April Anfang.) 351
nach Deutschland begab, ging ich über Frankreich und sah dort Gambetta
und. einige andere politische Persönlichkeiten, welche in jenem Lande Einfluß
hatten und bei welchen ich mich über die Art und Weise beklagte, in wel-
cher damals Italien behandelt wurde. Gambetta wünschte zu jener Zeit
mit dem deutschen Reiche zu einem Vergleiche (accordo) zu gelangen und
öffnete mir hierüber sein Herz. Uns mußte es jedoch daran liegen, für den
Fall eines Krieges, welcher gegen Italien nach den Wahlen vom Mai 1878
hätte ausbrechen können, nicht ohne Verbündete zu sein. Ich ging nach
Gastein und später nach Berlin und meine Anwesenheit in Deutschland wurde
mit wahrer Befriedigung bemerkt. Man verhandelte, man sprach über alles,
was unser Land interessieren konnte; welche Ideen mir dabei vorschwebten,
werden Sie sich leicht vorstellen können: es waren die Ideen des Ministeriums
und, ich darf es nicht verschweigen, auch jene unseres glorreichen Königs
Biktor Emanuel. Hierbei blieb es jedoch knolge von Ereignissen, an welche
ich Sie nicht zu erinnern brauche. Nachher im Mai 1878, als der Präsi-
dent der französischen Republik gestürzt war, entstand eine neue Ordnung
der Dinge, andere Männer gelangten zur Macht; aber in Frankreich ver-
wischte sich nicht der Eindruck meiner Reise und die Zeitungen, welche da-
rüber während des Wahlkampfes sprachen, stellten Vermutungen auf, welche
über das, was auf jener Reise stattgefunden, weit hinausgingen. Ich er-
wähne dies hier, meine Herren, um Mißverständnisse zu vermeiden. Ich
wunderte mich, sagte ich, daß die von meinen Amtsvorgängern geschlossenen
Allianzen gegen sie nicht denselben ungerechten Krieg hervorgerufen hätten,
welcher mir jetzt gemacht wird; jene Allianzen lagen aber auch in meiner
Absicht, und, wie ich Ihnen schon sagte, von der Deputiertenbank aus, habe
ich mehrfach erklärt, daß Italien bei der gegenwärtigen Lage Europas, auf
dem Kontinent die Zentralmächte, auf dem Meere England als Verbündete
hoben müsse. Das ist mein Programm; das ist meine Politik, und dieser
in ich, wie Sie zugeben werden, stets treu geblieben.
Ende März— Anf. April. (Afrikanische Politik.) Am
29. März sendet der Negus ein Schreiben an General San Marzano
nach Massauah,
in dem er den Wunsch ausspricht, Frieden zu schließen. San Mar-
zano teilt das Schreiben telegraphisch seiner Regierung mit, worauf er den
Auftrag erhält, als Friedensbedingungen den Rückzug der Abessinier vom
italienischen Gebiet, die Anerkennung des Besitzrechtes der Italiener auf die
ganze Küstenstrecke, eine durch die Punkte Saati und Massauah bestimmte
Zone, die Abtretung des Bogosgebietes von Saati bis einschließlich Keren
und die Anerkennung des ausschließlichen Handelsrechtes der Italiener für
den Verkehr mit dem Innern zu fordern. Da andererseits der Negus für
Abessinien einen Ausweg ans Meer gewünscht und auch diesen Wunsch in
dem Schreiben an König Humbert geäußert hatte, so erklärt sich die ita-
lienische Regierung bereit, diese Forderung einzuräumen, behält sich jedoch
vor, dazu entweder südlich von Massauah bei Arkiko oder nördlich bei Em-
beremi einen solchen Punkt festzusetzen, wo ein italienisches Zollamt einzu-
richten wäre. Auf der Abtretung Kerens und des Bogosgebietes besteht da-
gegen die Regierung und verlangt außerdem als Bürgschaft für den Frieden
Geiseln, darunter Ras Alulas Sohn.
Da mehrere Häuptlinge, besonders Ras Alula, gegen diese
Zugeständnisse find, erklärt der Negus am 1. April, er könne auf
die Bedingungen nicht eingehen. Am 4. trifft die Nachricht aus