Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

Ilalien. (Mai 2. Hälfte —Juni 2. Hälfte.) 353 
2. Hälfte Mai. (Ras Alula.) Ras Alula, der Hauptan- 
stifter der Feindseligkeiten gegen die Italiener, kehrt nach Asmara- 
zurück. 
Bisher glaubte man, der Negus wolle ihn, um einen Beweis seiner 
friedlichen Absichten zu geben, in Adua zurückhalten. 
6. Juni. (Differenzen mit Sansibar.) Die „Niforma" 
meldet, 
der Sultan von Sansibar habe auf die Ansage eines Schreibens des 
Königs von Italien an ihn in wenig korrekter Weise erwidert und diese 
Beleidigung durch eine längere Weigerung, das Schreiben entgegenzunehmen, 
noch schwerer gemacht. Daraupfhin habe der italienische Konful Genugthuung 
gefordert. Der Sultan habe sich zwar durch einen General mündlich ent- 
schuldigen lassen, der Konsul jedoch ein Entschuldigungsschreiben des Sul- 
tans an den König verlangt. Infolge der Weigerung des Sultans solle 
der Konsul sodann die Flagge eingezogen haben. 
Die Regierung sendet alsbald zwei Kriegsschiffe ab, welche 
die Weisung haben, die Vorstellungen des italienischen Konsuls zu 
unterstützen und ihn, sowie die italienischen Staatsangehörigen an 
Bord zu nehmen, falls der Sultan Italien keine Genugthuung da- 
durch gewähre, daß er das von seinem Vorgänger regelrecht ab- 
getretene Territorium Italien einräumt und sich wegen seines in- 
korrekten Verhaltens bei Ueberreichung des Schreibens des Königs 
Humbert durch den Konsul entschuldigt. 
1. Hälfte Juni. (Jubelfeier in Bologna.) Die Uni- 
versität Bologna begeht die Feier ihres 800jährigen Bestehens. 
2. Hälfte Juni. (Sohn des Negus.) Aus Massauah wird 
gemeldet, der Sohn des Negus sei durch Gift in Makalle gestorben, 
der Negus habe Ras Alula und Debeb zu sich berufen. 
2. Hälfte Juni. (Strafgesetzbuch.) Die Deputiertenkammer 
nimmt unter heftigster Oppofition der Klerikalen mit großer Ma- 
jorität das neue Strafgesetzbuch an. Die Angriffe der klerikalen 
Partei richten sich vornehmlich auf die darin enthaltenen energi- 
schen Bestimmungen, etwaigen Wiederherstellungsversuchen des Kir- 
chenstaates entgegenzuwirken. Dieselben lauten: 
Art. 101. Wer eine Handlung begeht, die dahin abzielt, den Staat 
oder einen Teil desselben der fremden Herrschaft zu unterwerfen oder die 
Einheit des Staates zu zerstören, wird mit Zuchthaus bestraft. Art. 173. 
Der Kultusdiener, welcher in Ausübung seiner Amtsverrichtungen öffentlich 
die Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder die Handlungen der Be- 
hörden tadelt oder schmäht, wird mit Haft bis zu einem Jahre und mit 
Geldstrafe bis zu 1000 Fr. bestraft. Art. 174. Der Kultusdiener, welcher 
unter Mißbrauch einer moralischen, aus seinem Amte erfließenden Macht 
zur Mißachtung der Einrichtungen oder Gesetze des Staates oder der Hand- 
lungen der Behörden oder sonst zur Uebertretung der Pflichten gegen das 
Europ. Geschichtskalender. XXIX. Bd. 23
	        
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