Rußland. (Juli 2. Hälfte—August 2. Hälfte.) 383
seinem 40. Lebensjahre der Reichswehr an. Nach den neuen Bestimmungen
ist die Dauer der Gesamt-Dienstzeit 18 Jahre, und zwar fünf Jahre in der
aktiven Armee und 13 Jahre in der Reserve. Die Dienstpflicht für die
Reichswehr wird bis zum 43. Lebensjahre erstreckt.
2. Hälfte Juli. (Die Völker der Ukraine.) In Kiew
verschickt ein geheimes „Nationalkomitee zut Wiederherstellung der
Großen Ukraine“ ein Zirkulär. Das Komitee leitet, heißt es in
diesem Zirkulär, die Aufmerksamkeit der Großmächte und der sla-
wischen Nationen auf folgende zwei Thatsachen:
1) Die Union der Völker der Ukraine mit den Russen war kein Akt
der Unterwerfung unseres Vaterlandes unter den Zar Alexej Michailowicz,
sie war vielmehr ein Bund unter Gleichen. 2) Die Vexationen und die
brutale Russifizierung haben unserer armen Ukraine viel Thränen erpreßt.
Es ist uns verboten, in unserem Lande Bücher zu drucken und in unserer
Sprache zu verkehren. Unsere Landsleute gehen unter Martern in den Kase-
matten und in Sibirien zu Grunde. Die Bevölkerung der Ukraine, 25 Mil-
lionen, protestiert gegen diese Akte des Terrorismus und hofft, daß die
Nationen, welche sich zu den Grundsätzen der Humanität bekennen und die
Slawen des Balkans von der Sklaverei der orthodoxen Moslim befreit
haben, sie tunterstüten werden, das Joch der orthodoxen Kirche abzuschütteln,
welche sich „Groß-Russen“ nennen.
22.—31. Juli. (Kiewer Jubelfeier.) Zur 900jährigen
Jubelfeier der Einführung des Christentums in Rußland treffen
von allen slawischen Volksstämmen Vertreter in Kiew ein.
August. (Vorstellungen aus Rom.) Der Vatikan richtet
an die russische Regierung höfliche, aber entschiedene Vorstellungen
wegen ihres jüngsten Zirkulars an die polnischen katholischen Bi-
schöfe, welches dem polnischen Klerus vorschreibt, die Ablegung jedes
Eides, gerichtlichen, bürgerlichen oder kirchlichen, stets in russischer,
niemals in polnischer Sprache zu fordern.
1. Hälfte August. (Ignatiew.) Eine Rede Ignatiews wird
bekannt, die er beim Jubiläum in Kiew gehalten.
Danach konstatiert der General, daß das durch die slawischen Völker
im Auslande gehende Erwachen des nationalen Bewußtseins naturgemäß auch
das Bewußtsein der Rassen-Zusammengehörigkeit mit dem großen russischen
Volke groß ziehe. Er bezeichnet als eine notwendige Konsequenz dieser großen.
geistigen Bewegung das Streben nach Annäherung an Rußland, mit dessen
politischen und materiellen Interessen diejenigen der auswärtigen slawischen
Völker parallel laufen. Es sei deshalb unrecht, wenn seitens der Berufenen
in Rußland aus Rücksicht für die Erhaltung des freundnachbarlichen Ver-
hältnisses mit Oesterreich-Ungarn nicht alles gethan wird, was geeignet ist,
die besagte Bewegung unter den Slawen zu fördern. Auch seien dicst Rück-
sichten, wie sie seitens der Regierung gelegentlich der Kiewer Feste beobachtet
worden, nicht notwendig, da Oesterreich-Ungarn ohnehin nie wagen werde,
Rußland herauszufordern.
2. Hälfte August. (Preßmaßregel.) Dem Panflawisten-