Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierter Jahrgang. 1888. (29)

400 Terbien. (Juli Mitte.) 
nachdem Wir zur vollen Ueberzeugung gelangt sind, daß ein ferneres eheliches 
Zusammenleben mit Unserer soeben genannten Gattin unmöglich geworden 
ist — mit Unserem Akte vom 12. Juni d. J. an Ew. Eminenz mit dem 
Ersuchen gewendet, Unsere heilige Kirche möge dieses nunmehr unmögliche 
und unerträgliche Cheband auflösen. 
Die vaterländischen Bischöfe haben nun sowohl Uns persönlich und 
mündlich, als auch mit ihrem Akte an Unseren Minister für Kultus und 
Unterricht vom 21. Juni schriftlich erklärt, daß die Entscheidung in Unserer 
Scheidungs-Angelegenheit der bischöflichen Synode anheimfalle, wovon Ew. 
Eminenz Unsere Gemahlin Natalie telegraphisch verständigten. 
Als bescheidener und aufrichtiger Sohn Unserer Kirche haben Wir 
mit Unserem Akte vom 12. Juli diesen Standpunkt der vaterländischen 
Bischöfe als rechtlich anerkannt, hierbei und in demselben Akte aber auch 
Unsere Königlichen Vorrechte betont und deshalb das Ansuchen gestellt: 
Unser Ehezwist möge lediglich nach jenen kanonischen Bestimmungen ent- 
schieden werden, die alleinig auf Uns bezogen werden können, da Wir gemäß 
der Verfassung des serbischen Staates, als König von Serbien nicht jenen 
Bestimmungen unterworfen sein können, welche für Privatpersonen und Unsere 
Unterthanen zu Recht bestehen. 
Inzwischen haben in der Sitzung vom 13. Juli jene beiden Herren 
Bischöfe, die sich schriftlich für die Kompetenz der Synode erklärten, gegen 
die Kompetenz derselben gestimmt, und da sie die Mehrheit der Synodal- 
mitglieder für ihre Ansicht zu gewinnen vermochten, hat die Synode den 
Beschluß gefaßt: daß die Entscheidung unseres Ehezwistes den gewöhnlichen 
geistlichen Gerichten, dem Diözesan= respektive Appellkonsistorium, zustehe. 
Nebstdem hat auch Unsere Gemahlin Natalie in einer an Ew. Eminenz ge- 
richteten Depesche gegen die Kompetenz der Synode energischen Protest erhoben. 
Mo der zahllosen langjährigen Duldungen und trotzdem Unsere Ge- 
mahlin Unsern Versöhnungsantrag, mit welchem Wir der Ehescheidung aus 
dem Wege zu gehen beabsichtigten, auf eine unliebsame, unkönigliche und 
unritterliche Art zurückgewiesen hat, — wollten Wir nochmals ein neueres 
Zeugnis Unserer Selbstverleugnung abgeben und haben infolgedessen den 
Protest der Königin in Anbetracht gezogen und mit Unserem Akte vom 
16. Juli l. J. gestattet, daß Unser Ehescheidungsprozeß dem Belgrader Kon- 
sistorium übermitteltet werde, wobei Wir gleichfalls jene Vorrechte betonten, 
welche im Sinne der Verfassung und der vaterländischen Gesetze dem Könige 
und dem Königshause zustehen. 
Das Belgrader Konsistorium hat nun entgegen diesen Königlichen 
Vorrechten ein Verfahren angebahnt, welches bei Ehestreitigkeiten Unserer 
Unterthanen in Anwendung gebracht zu werden pflegt und hierdurch die be- 
stehenden Staatsgrundgesetze offenkundig hintergangen. 
Da wir zu jener Zeit im Auslande verweilten, beeilten Wir uns, der 
gesetzwidrigen Thätigkeit des Konsistoriums bis zu unserer Rückkehr Einhalt 
zu gebieten und dasselbe bis dahin zur Einstellung des weiteren Verfahrens 
zu bestimmen. 
In die Hauptstadt Unseres Gottgegebenen Königreiches zurückgekehrt, 
mußten Wir alsbald zur Einsicht gelangen, daß Unsere großmütige Nach- 
giebigkeit, sowie auch die Selbstverleugnung, deren Wir insbesondere während 
der letzten Monate so viele Beweise zu Tage gelegt haben, nicht nur ohne 
jeglichen Erfolg geblieben find, sondern auch vielfach dazu beigetragen haben, 
daß eine Familienangelegenheit Unseres Königshauses der Urquell zahlreicher 
Verlegenheiten für Unser Land und Unsere nationale Dynastie werde. Des- 
  
 
	        
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