402 Lerbien. (Juli 2. Hälfte—Oktober 26.)
nach den Satzungen der heiligen orthodoxen Kirche geschlossen und könne
deshalb nicht aufgelöst werden durch eine Mitteilung in dem amtlichen Blatt.
Der Metropolit möge Akt davon nehmen, daß sie seine Entscheidung als null
und nichtig und jeder gesetzlichen Wirksamkeit entbehrend betrachte.
2. Hälfte Juli. (Antiösterreichische Preßkundgebung.)
Die Risticsche „Srpska Nezavisnost“ veröffentlicht einen Artikel, in
welchem sie in schärfster Weise sich über Oesterreich ausläßt.
Alles Unglück, meint das genannte Blatt, das über Serbien ge-
kommen, rühre von Oesterreich her, das immer und zu jeder Zeit den Ruin
Serbiens und den Untergang des serbischen Volksstammes anstrebte. Serbien
wäre auch wirklich zu Grunde gegangen, wenn es nicht das mächtige Ruß-
land als seinen eschüfer an der Seite gehabt hätte. Oesterreich habe bisher
alles gethan, um wenigstens Serbien zu lähmen und es abhängig zu machen;
es hat Serbien ökonomisch unterbunden.
26. Oktober. (Proklamation.) Das Amtsblatt bringt eine
Proklamation des Königs, in der er Wahlen zu einer großen
Skupschtina ausschreibt, die über eine neue Verfassung beraten soll.
In der Proklamation heißt es:
Serbische Nation! Der erste König des neu erstandenen serbischen
Königreiches wendet sich an Dich, um Dir aus vollem Herzen zuzurufen;
Lasse die Stimme der Zwietracht in Deiner Seele verstummen, und möget
Ihr alle einmütig stets nur das Gemeinwohl vor Augen haben. Doas erste
Beispiel hiefür soll Dir Dein König geben, und er ist wahrhaft glücklich,
daß er es zu thun vermag.
Serben! Fortsehung des wüsten Parteikampfes kann nur Verlegenheit
bereiten und unser Land abermals zum Schauplatze jener traurigen Ereig-
nisse machen, die uns seit Beginn des jetzigen Jahrhunderts so oft und 5
grausam heimgesucht haben. Die heutige Verfassung ist nicht Mein Werk.
Nicht Ich habe sie geschaffen, trotzdem habe Ich sie schon aus dem Grunde
zu jeder Zeit energisch verteidigt und sorgsam gewahrt, weil Ich dafür-
halte, daß Völker schlecht handeln, wenn sie leichtfertig und unbesonnener
Weise zur Abänderung jener Verfassungsform schreiten, die sie sich selbst
gegeben haben.
Auch heute würde Ich nicht mit einem derartigen Antrag an Mein
Volk herantreten, wenn sich Mir das Jahr, in welchem wir die fünfhundertste
Jahreswende unseres einstigen staatlichen Zerfalles zu begehen haben, nicht
als seltene feierliche und zugleich großartige Gelegenheit darböte, an alle
Parteien des Landes einen ernsten Ruf zu richten, sie an ihre Pflichten
unserem gemeinsamen Vaterlande gegenüber zu mahnen und in diesen feier-
lichen Stunden einer ebenso traurigen als ruhmreichen Erinnerung, zu ver-
suchen, einen bereits seit langem entfachten und nunmehr hell lodernden
Parteikampf zwischen den Söhnen Unseres serbischen Mutterlandes zu mildern
und zu ersticken.
Am folgenden Tage veröffentlicht das Amtsblatt dann ein
Handschreiben Sr. Majestät des Königs an den Ministerpräsidenten,
in welchem er die Mitglieder des Verfassungs-Revisions-Ausschusses
ernennt.
Dieselben sind allen Parteien des Landes entlehnt. Der König er-