88 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Mai 26.
brüder rufen sollen! (Großer Lärm.) Wir haben uns doppelt verpflichtet
gehalten, dem Treiben entgegenzutreten, doppelt, wegen des schwerkranken
Kaisers (Lärm rechts). Manches wäre nicht geschehen, wenn der Kaiser ge-
sund wäre. Würde der Kaiser gesunden, dann würde sich alles Gezücht in
die Höhle zurückziehen. (Lebhaftes Bravo links, Zischen rechts.) Die „Dres-
dener Nachrichten", welche den Schandartikel zuerst gebracht haben, werden
jetzt als partikularistisch desavouiert, und doch sind sie ein Kartellblatt rein-
sten Wassers. Ist es nicht wahr, daß im „Deutschen Tageblatt“ und in der
„Schlesischen Zeitung“ gestanden hat von dem kaudinischen Joche Englands,
unter welches sich Deutschland habe beugen müssen in der Battenberg-Frage?
M. H.! Die „Freisinnige Zeitung“ hat den Vorzug, die schamlosen Angriffe,
welche Schwindler und wegen Unterschlagung bestrafte Leute gegen die Kaiserin
Viktoria gerichtet haben, zu entlarven und zurückzuweisen. (Rufe rechts:
Zur Sachel) Ja! m. H., Sie rufen zur Sachel Hätten Sie Herrn Dr. Fried-
berg doch auch zur Sache gerufen. Sind nicht schamlose, hämische Angriffe
gemacht worden, weil die Gemächer der Königin Luise ausgeräumt würden
für die Königin von England, was gar nicht wahr war?! Sie sprechen von
modernem Sykophantentum, Sie sprechen gegen unsere Presse; diese Presse
hat die Pflicht, die Preßfrechheit in das richtige Licht zu ziehen, daß klar
gestellt wird, welches Gesindel es wagt, in solchen schweren Tagen gegen das
Kaiserhaus zu hetzen. (Lebhaftes Bravo links.) Ein nationalliberaler Herr
ist es gewesen, welcher gegen die „Freisinnige Zeitung“ zu Felde gezogen ist,
weil sie es gewagt hat, jenes Gesindel ans Licht zu ziehen. Die „Kölnische
Zeitung“ hat es als eine Denunziation angesehen, daß die „Freisinnige
Zeitung“ sich beschäftigte mit einem Artikel über den Verrat von Amts-
geheimnissen. Nun, wie war es dann möglich, m. H., daß in der Batten-
bergischen Verlobungsangelegenheit solche Details an das Tageslicht kommen
konnten; nur durch Mißbrauch des Amtsgeheimnisses konnten solche Sachen
an das Tageslicht kommen, welche dartun, wie gegen das Kaiserhaus gehetzt
ist. (Große Unruhe.) Man fragte nicht, ob eine solche Veröffentlichung
nicht im stande wäre, unseren Kaiser Friedrich dauernd gegen Rußland in
Nachteil zu setzen. M. H. Derart Staatsverrat zu treiben.. (die näch-
sten Worte gehen unter dem großen Lärm im Hause verloren). Ich weiß,
daß Sie dergleichen nicht gern hören. (Erneuter Lärm, Rufe: Zur Sachel)
Das Gesindel, welches hinter diesen schamlosen Angriffen steckt, ist gar nicht
wert, in Anklagezustand versetzt zu werden. Als Gesetzgeber sind wir be-
rechtigt zu zeigen, wie ungleich das Recht bei uns gehandhabt wird, und
das wollte der Abg. Rickert nur klarstellen. Meine Herren, wenn gegen
den Fürsten Bismarck der hundertste Teil der Beleidigungen geschleudert
würde, welche gegen die Kaiserin Viktoria geschleudert worden sind
(Großer andauernder Lärm. Rufe: Zur Sachel) Gegen die freisinnigen
Blätter ist die Anklage wegen Majestätsbeleidigung erhoben worden wegen
Abdruck des Artikels: „Keine Frauenzimmerpolitik“, obwohl in denselben
an den Schluß die Worte gestellt waren: Wenn solche Dinge in Preußen
möglich seien, wenn solche Angriffe auf das Kaiserhaus unternommen werden
dürften, müsse man sich um das Kaiserhaus scharen
v Präs. v. Köller: Herr Abg. Richter, das geht nun aber doch weit
hinaus
Abg. Richter: Nicht so weit, als der Abg. Friedberg gegangen ist.
Präs. v. Köller: Das geht über die Grenzen hinaus, in denen Sie
dem Abg. Friedberg erwidern können. Darüber hinaus kann ich Ihnen
nichts gestatten.
Abg. Richter: Im übrigen ist meine Betrachtung zu Ende. Ich
glaube, daß eine solche schon lange hätte geschehen müssen. Wozu hat man