Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 19.—20.) 99
Arnswalde, Schnatsmeyer, Südmeyer, die Freikonservativen mit
Ausnahme von Christophersen. Von den Nationalliberalen stimmen
dafür Hobrecht, v. Gneist, v. Benda, Olzem, Pfaff, Simon (Walden-
burg), Tschocke. Vom Zentrum stimmen für das Gesetz 35. Gegen
das Gesetz stimmen die Freifinnigen, die Polen, 24 vom Zentrum,
36 Nationalliberale.
19. Juni. Ende des Bochumer Steuerprozesses. Das
Urteil gegen Fusangel lautet auf 5 Monate, gegen Lunemann auf
2 Monate Gefängnis.
In der Begründung wird ausgeführt, die wegen Beleidigung in 31,
darunter in 30 gemeinschaftlichen Fällen Angeklagten seien in 13 Fällen
der begangenen Beleidigung schuldig erkannt. Der Vorwurf, daß die Ein-
schätzungskommission bewußt oder unbewußt parteiisch gehandelt oder bewußt
zu niedrig eingeschätzt habe, sei als begründet nicht erwiesen. Das Urteil
anerkennt die Schwierigkeiten der Ermittelung des Einkommens, bemerkt
aber, daß bei einer gründlichen Einschätzung große Unterschätzungen vermieden
werden könnten. Die Einschätzungszeit (drei Tage) sei mit Rücksicht auf die
Zahl der einzuschätzenden Personen zu kurz. Die Mitglieder der Kommission
hätten sich mit den Vorschlägen des Vorsitzenden nicht ohne weiteres be-
gnügen dürfen. Die Frage, ob das Verhalten der Kommission ein fahr-
lässiges gewesen sei, wolle der Gerichtshof nicht entscheiden. Für die Be-
gründung des Vorwurfs einer pflichtwidrigen Unterschätzung des „Bochumer
Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation“ sei keinerlei Beweis erbracht.
Immerhin sei es bedenklich, die Dividenden und die für den Reservefonds
ausgeworfenen Summen als alleinige Unterlage für die Einschätzung zu be-
trachten. Die Angeklagten seien zwar bis an die äußerste Grenze gegangen,
es sei aber nicht erwiesen, daß dieselben gegen ihr besseres Wissen gehandelt
hätten, vielmehr sei bei ihnen bona tides anzunehmen. Den Angeklagten
sei der Schutz des § 193 zuerkannt. Strafverschärfend wirkten die 22 Vor-
strafen des Angeklagten Fusangel. Das Urteil bezeichnet denselben als einen
Mann, der mit der Ehre anderer leichtfertig umgehe und zu Ehrenkränkungen
geneigt sei. Als strafmildernd falle der Eindruck ins Gewicht, daß es sich
um unverkennbare öffentliche Mißstände gehandelt habe. Die Kosten des
Prozesses mit Ausnahme der durch die Nebenkläger verursachten Gebühren
habe der Angeklagte Fusangel zu tragen.
19. Juni. (Herrenhaus.) Annahme des Wildschaden-
gesetzes.
20. Juni. Schluß der Landtagssession durch den Kaiser,
welcher folgende Thronrede verliest:
Erlauchte, edle und geehrte Herren von beiden Häusern des Landtages!
Am Schlusse einer außergewöhnlich langen und arbeitsreichen Sitzungs-
periode des Landtages Meiner Monarchie ist es Mir Bedürfnis, Ihnen
Meinen Königlichen Dank und Meine hohe Befriedigung über die gewonnenen
Ergebnisse unmittelbar auszusprechen.
Nicht vergebens habe Ich beim Beginn Ihrer Beratungen der Er-
wartung Ausdruck gegeben, daß es Ihnen gelingen werde, in vertrauens-
vollem Zusammenwirken mit Meiner Regierung die hochwichtigen Arbeiten,
zu welchen Ich Sie berufen habe, zu einem gedeihlichen Abschluß zu bringen.
7*