Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 24.) 5
anteile, sowie zur Unterstützung von Gemeinden bei Errichtung oder Wieder-
herstellung kirchlicher Gebäude verwendet.
Art. 4. Ueber die Verwendung der auf Grund dieses Gesetzes heraus-
gezahlten Summen werden die Diözesanoberen dem Minister der geistlichen
Angelegenheiten Mitteilung machen.
Aus der Begründung:
Die Staatsregierung hält nach wie vor an der Ansicht fest, daß ein
Rechtsanspruch auf die aufgesammelten Staatsmittel nicht besteht, und daß
es Empfangsberechtigte im juristischen Sinne nicht gibt. Diese Auffassung
liegt insbesondere den Bestimmungen des Artikels 2 des Entwurfs zu Grunde.
Nach denselben sollen bischöflicherseits zu bestellende Kommissionen mit Aus-
schluß des Rechtsweges nach ihrem pflichtmäßigen, billigen Ermessen und
unter Berücksichtigung der obwaltenden Umstände endgültig entscheiden, ob,
bezw. inwieweit Ansprüche zu befriedigen sind, welche von irgendeiner Seite
(von Instituten und Personen — juristischen oder natürlichen —) auf die
den Bistümern herausgezahlten Mittel erhoben werden.
Der verbleibende Rest soll von den Diözesanoberen Inhalts des
Artikels 3 für kirchliche Zwecke ihrer Diözesen bezw. preußischen Diözesan-
anteile verwendet werden. Einer Aufzählung dieser Zwecke bedarf es nicht.
Vorzugsweise ist auf die Bildung von Fonds für emeritierte oder hilfs-
bedürftige Geistliche hinzuweisen, ferner auf die Unterstützung von Aspiranten
des geistlichen Standes, auf die Gewährung von Mitteln zur Ausbildung
von Geistlichen, auf die Deckung der vermehrten Kosten der Diözesanverwal-
tung, auf die Aufbesserung der Gehälter von Domherren, Domvikaren und
Beamten der bischöflichen Verwaltung. Besonderer Wert ist auf die Unter-
stützung armer Gemeinden bei Errichtung und Wiederherstellung kirchlicher
Gebäude (Kirchen, Kapellen, Häuser für Geistliche und Kirchendiener) gelegt.
Daß letztgedachte Unterstützungen besonders in dem Entwurf erwähnt werden,
hat darin seinen Grund, daß ein Zweifel entstehen kann, ob die Unter-
stützung von Gemeinden ohne weiteres als ein Diözesanzweck anzuerkennen sei.
Präsident des Staatsministeriums, Reichskanzler v. Caprivi:
Es wird dem hohen Hause erinnerlich sein, daß im vorigen Jahre
die Staatsregierung einen Gesetzentwurf über Verwendung der sogenannten
Sperrgelder eingebracht hat, bei dem sie in Uebereinstimmung mit früheren
Erklärungen die Absicht befolgte, einen Gegenstand der Beunruhigung und
Unzufriedenheit unter Mitgliedern der katholischen Kirche zu beseitigen. Sie
hatte zu diesem Behufe vorgeschlagen, das vom Staat vereinnahmte Kapital
mit 3 ½ % zu verzinsen und diese Rente den Diözesen der katholischen Kirche
zur Verwendung zu kirchlichen Zwecken zu überweisen. Das Gesetz kam nicht
zu stande, im wesentlichen, weil die Zustimmung des Zentrums zu der von
der Staatsregierung vorgeschlagenen Verwendungsweise nicht zu erlangen
war. Fehlte aber diese Zustimmung, so war der Zweck, den die Staats-
regierung verfolgte, verfehlt, denn es blieb dann ein Objekt stehen, was
nach wie vor zu Angriffen gegen die Staatsregierung, zur Beunruhigung
unserer katholischen Mitbürger gereichen konnte. Die Staatsregierung be-
dauerte diese Lage, sie mußte sich aber ihrerseits in dieselbe schicken und
hatte kein Mittel, sie aus eigener Initiative zu ändern.
Im November traten die katholischen Bischöfe in Köln zusammen
und richteten zwei Eingaben an die Staatsregierung: die eine betreffend das
Gesetz über die Volksschule, die andere betreffend die Sperrgelder. Auf die
erstere Eingabe und auf die darin niedergelegten Wünsche der Bischöfe konnte
die Staatsregierung nicht eingehen, dagegen war es ihr möglich, in eine
Prüfung der zweiten Eingabe einzugehen und sich die Frage vorzulegen: wie