16 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.)
Ja, mir fehlt die prophetische Gabe, und wenn ich von Kolonien rede, so
möchte ich noch vorsichtiger sein, als wenn ich sonst von der Zukunft rede.
Ich kann nur sagen: Das ist der Standpunkt der Regierungen heute. Von
diesem Standpunkt haben sie die Vorlage eingebracht und wünschen, daß sie
genehmigt werde. Man ist nun auf das Verhältnis der Schutztruppe zu
Witboy gekommen. Die Schutztruppe besteht aus 40 bis 50 anfangs beritten
gewesenen, nachgerade aber unberitten gewordenen Polizisten. (Heiterkeit.)
An der Spitze der Schutztruppe steht ein vorzüglicher Offizier, der
Hauptmann von Frangois, dem ich das Zeugnis ausstellen muß, im Gegensatz
zu manchen Anfeindungen, die er erfahren hat, und denen ja jede Polizei,
vollends eine Polizei unter braunen Menschen ausgesetzt ist (Heiterkeit), daß
er seinen Funktionen vorzüglich genügt und seine Instruktionen unter den
schwierigsten Verhältnissen genau befolgt hat. Er ist preußischer Offizier,
und ich weiß aus seinen Berichten, daß es ihm viel schwerer geworden ist,
nicht zu schießen, als zu schießen. Er hat aber seine Instruktionen befolgt,
und ich habe gar keinen Anlaß, diese Instruktionen zu äudern, sondern ich
habe sie von neuem bestätigt und ihm eingeschärft; denn was soll entstehen,
wenn diese 50 Polizeisoldaten sich in den Streit von Völkerschaften ein-
mischen, die auf der einen Seite 60,000, auf der anderen Seite vielleicht
12,000 Mann zählen? Im südlichen Teile unseres Schutzgebietes ist ein
Mann auferstanden, halb Prophet und halb Krieger, Witboy mit Namen.
Er hat sicherlich das Talent, seine Umgebung zu begeistern und fortzureißen.
Er hat eine Truppe zu stande gebracht von 400 bis 500 Mann, zum größten
Teil beritten, alle mit Hinterladern bewaffnet und dank der Freundlichkeit
unserer Nachbarn in Südwest-Afrika auch reichlich mit Munition versehen.
(Hört, hört!)
Mit dieser seiner Truppe hat er sich in ein Felsennest zurückgezogen,
Hornkranz genannt, und in dem lebt er, und wenn ihn der Hunger treibt,
macht er Ausfälle. So ist er denn im Herbst vorigen Jahres in das Land
der Hereros gezogen, um denen die Herden wegzutreiben. Das ist ihm auch
im vollen Umfange geglückt. Nun sagt der Herr Abg. Hammacher: Da hat
die deutsche Schutztruppe mit Gewehr bei Fuß dabei gestanden. Nun möchte
ich Sie einmal bitten, sich die Konsequenzen auszumalen, wenn die deutsche
Schutztruppe nicht mit Gewehr bei Fuß gestanden hätte, sondern das Schießen
gekriegt hätte (Heiterkeit), was sollen denn 50 Hinterlader gegen 400 bis
500 ? Nun will ich den Deutschen sehr hoch rechnen, und die Schieß-
ausbildung der Hottentotten sehr niedrig anschlagen: auf die Dauer kommt
aber doch einmal der Moment, wo von dem schlechtest gezielten Feuer eine
solche Zahl von Schüssen trifft, daß 50 Leute vom Erdboden verschwinden.
Der Hauptmann von Frangois hat das nicht so angesehen, er sagt: Ich
würde sehr gern losschlagen, ich würde einen entscheidenden Schlag gegen
den Mann riskieren. Ich muß mir aber sagen: Wenn dieser brave Mann
den entscheidenden Schlag riskiert und er siegt nun, was ist dann die Folge?
Wie viel Mann wird er von der Schutztruppe dann noch übrig haben? Was
macht er, wenn der Witboy wieder in seine Feste zurückgeht? Zernieren
kann er sie nicht. Wie will er die 50 Mann verwenden, um sich im Lande
nur so lange zu halten, bis wir ihm eine neue Unterstützung schicken?
Nun ist die Frage angeregt: kann man nicht diese unsere Freunde,
die Hereros, bewegen, sich mit Hauptmann von Frangois zu verbünden?
Nun sagt letzterer selbst, er dankt für diese Bundesgenossenschaft (Heiterkeit),
und ich glaube, er hat recht. Zunächst kommt dabei eine Schwierigkeit in
Betracht, die das Land bietet: Größere Abteilungen sind sehr schwer auf
dem Wege der Regquisition in Südwest-Afrika zu ernähren und oft noch
schwerer zu tränken; mit der Zahl der Streiter, wenn es nicht vollwertige