Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Siebenter Jahrgang. 1891. (32)

Frankreich. (August Mitte- September 27.) 239 
Mitte August. Großfürst Alexis von Rußland kommt 
zum Badeaufenthalt nach Vichy und ist Gegenstand fortwährender 
Demonstrationen. Der russische Konsul begrüßt ihn mit der An- 
sprache, Frankreich sei Rußland und Rußland Frankreich. 
15. August. Der König von Griechenland in Paris. 
9. September. Jules Grevy, der Vorgänger Carnots in der 
französischen Präsidentschaft #. 
10. September. Der Kriegsminister Freycinet gibt bei 
den großen Manövern in Vendoeuvres den höheren Offizieren und 
den fremden Militär-Attachés ein Frühstück, wobei er folgende 
Rede hält: 
Der Zweck der gegenwärtigen Manöver sei, einen Nachweis über das 
Funktionieren der obersten Kommandostellen zu liefern. Durch das Ergebnis 
sei der Beweis erbracht, daß diese Kommandostellen auf sicheren Grundlagen 
ruhten, und er begrüße dies mit Genugthuung. Im nächsten Jahre sollten 
zum erstenmal Manöver der Territorial-Truppen stattfinden. Freycinet 
fordert sodann die Generale auf, an der Vervollkommnung der Armee weiter 
zu arbeiten, welcher Frankreich seinen Einfluß in der Welt verdanke. Nie- 
mand zweifele heule daran, daß Frankreich stark sei, es müsse jetzt auch be- 
wiesen werden, daß Frankreich klug sei und auch in seiner neuen Lage die 
Ruhe, die Würde und das Maßhalten zu bewahren wissen würde, welche 
in schweren Tagen seine Wiedererhebung vorbereitet hätten. Freycinet be- 
grüßt alsdann die fremden Militär-Attachés, deren Anwesenheit ein auf- 
munternder Sporn für Frankreich sei, gleichzeitig aber auch ein Zeugnis 
ablege für die friedlichen Dispositionen, welche bei den Anordnungen für 
die großen Manöver maßgebend gewesen seien. Der Minister schließt mit 
dem Ausdruck der Hoffnung, daß die fremden Militär-Attachés von der 
ihnen entgegengebrachten herzlichen Gastfreundschaft befriedigt seien, und daß 
sie die gewonnenen guten Eindrücke zur Kenntnis ihrer Regierungen bringen 
würden. Er trinke auf das Wohl des Präsidenten Carnot und des Ober- 
kommandierenden General Saussier, sowie seiner Mitarbeiter und der Armee. 
16. September. (Paris.) In der Großen Oper findet die 
Aufführung des Lohengrin statt. Die Chauvinisten versuchen ver- 
geblich die Aufführung zu stören; die Straßendemonstrationen blei- 
ben, da die Polizei große Vorkehrungen getroffen hat und 1000 
Personen verhaftet, unbedeutend. 
27. September. Bei der Enthüllung eines Denkmals für den 
General Faidherbe in Bapaume hält der Minister des Auswärtigen, 
Ribot, eine Rede, in welcher er die Besuche der französischen Flotte 
erwähnt. 
Europa habe Frankreich endlich Gerechtigkeit wiederfahren lassen. Ein 
Souverän, vorausschauend und fest in seinen friedlichen Absichten, wie dies 
auch Frankreich selber sei, habe öffentlich die tiefen Sympathien bekundet, 
die sein Land mit Frankreich verbänden. (Lebhafter Beifall und Rufe: 
„Es lebe der Zar!“ „Es lebe Frankreich!“) Die russische Nation habe sich 
ihrem Kaiser angeschlossen, um Frankreich herzliche Freundschaft zu bezeugen.
	        
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