Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.) 17
Menschen sind, wächst der Ballast einer solchen Expedition, und Herr von
Francois hat für die Vermutung, daß diese Hereros nur Ballast sein wür-
den, auch insofern eine Berechtigung, als sie sich bisher — ich will dem
Ehrgefühl der Hereros nicht zu nahe treten (Heiterkeit) — durch einen hohen
Grad von Vorsicht ausgezeichnet haben. (Große Heiterkeit.)
Auch bei den Ereignissen im September ist keinem Weißen ein Haar
gekrümmt worden, so viel Respekt hat der Witboy vor den Weißen gehabt.
Er hat das Haus keines Weißen betreten, er hat nicht aus der Pfütze ge-
tränkt, von der Hauptmann von Frangois behauptete, sie gehöre ihm. Trotz-
dem haben die Hereros sich wenig oder gar nicht gerührt, sondern sie haben
es vorgezogen, in die Häuser der Weißen zu laufen, um da Schutz zu finden,
statt sich zu wehren, obwohl sie eine Bevölkerung sind, die im ganzen
60,000 Mann zählt.
Daß wir also, solange nicht deutsche Interessen in Südwest-Afrika
in größerem Umfange engagiert sind, keinen Grund haben, deutsches Blut
für die Hereros zu vergießen, ist mir zweifellos; um so zweifelloser, als bei
den Ereignissen in Otjimbimgue, auf die der Herr Abg. Hammacher an-
spielte, bei denen der Engländer Lewis beteiligt war, dieselben Hereros sich
gegen uns recht unschön benommen haben. Nichtsdestoweniger würde ich einer
Vermehrung der Schutztruppe nicht abgeneigt sein, immer aber unter der
Voraussetzung, daß erst mehr zu schützen da ist. Man hat mich wiederholt
angegangen und gesagt: „Ja, mein Gott, was wollen Sie? Wie sollen wir
uns in Südwest-Afrika niederlassen: Wir finden dort keinen Schutz! Erst
bringen Sie einmal eine Truppenmacht hin, die uns garantiert, daß wir
dort ungestört arbeiten können!“ Ich kann das nicht acceptieren; ich bleibe
bei dem Grundsatz, auf dem mein Herr Amtsvorgänger gestanden hat: Erst
muß etwas zu schützen sein, und dann kommt die Truppe hin; denn wenn
wir an diesem Grundsatz nicht festhalten, dann wäre das eine Schraube
ohne Ende, und wir bekämen ein Armeekorps von Kolonialtruppen, die über
ganz Afrika zerstreut wären. (Sehr richtig! links.)
Wir wollen nun in Ruhe abwarten, wenn das hohe Haus die An-
träge der Regierung genehmigt, wie dieses Jahr verlaufen wird. Wir sehen
dieses Jahr nur als ein Versuchsjahr an; wir können eben nicht in die
Zukunft sehen, wir haben aber nicht den mindesten Grund, an der Zukunft
zu zweifeln, denn in dem, was der Herr Abg. Hammacher in Bezug auf
die Zukunft von Minen sagt, kann ich ihm, gestützt auf meine Kenntnis
südafrikanischer Verhältnisse, die übrigens wahrscheinlich auf denselben Büchern
basiert, wie die seine, nur zugeben: man kann nicht wissen, was aus diesen
Kolonien nicht alles noch einmal wird, sobald man Zeit hat und Kapital
hineinzustecken geneigt ist. Der gegenwärtige Zustand wird nicht haltbar
sein; geben Sie uns aber ein Jahr Zeit, dann werden wir in der Lage
sein, klarer zu sehen und beurteilen zu können, was weiter werden soll.
(Bravo ! )
Am 5. Februar äußert der Reichskanzler über Ost-Afrika:
Die Aeußerungen des Herrn Abg. Grafen Mirbach, so nachsichtig sie
für die Personen, die die Ehre haben, die jetzige Regierung zu vertreten, sind,
nötigen mich doch, näher einzugehen auf unser jetziges Verhältnis zu Ost-
Afrika, der bedeutendsten und, wie ich annehmen darf, derjenigen unserer
Kolonien, die hier in und außer dem Hause das meiste Interesse in Anspruch
nimmt, weil in dieser Aeußerung doch eine Kritik der Regierung lag.
Herr Graf Mirbach sagt zwar: das, was geschehen wäre, würde, wie
er hoffe, das Ansehen der Regierungen nicht alterieren. Ich habe die Be-
sorgnis auch nicht, aber er sprach da einen Tadel aus, der gestern in einer
Europ. Geschichtskalender. Bd. XXXII 2