Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Februar 3.—6.) 25
bringen, das wäre einfacher und vielleicht auch vornehmer gewesen. Zweifel-
los, denn vornehm war dies nicht (Heiterkeit), das gebe ich zu, wenn die
Reichsregierung sich bemühen muß, um nach und nach eine Privatgesellschaft
dahin zu bringen, daß sie sich überzeugt, daß ihr Interesse und das Reichs-
interesse Hand in Hand geht, wenn sie 4 Millionen aufbringt. Das ist
nicht vornehm, aber wir konnten nicht an den Reichstag gehen, einmal schon
zeitlich nicht, wir mußten am 29. Dezember das Geld von hier abschicken,
wenn es am 1. Januar in London gezahlt sein sollte. Nun frage ich: welche
Chancen hatten wir, das Geld vom hohen Hause bis zum 29. Dezember
vorigen Jahres zu bekommen? Wahrscheinlich gar keine. (Heiterkeit.)
Also dieser äußere Umstand hinderte uns schon. Zweitens hatten
wir gar keine Neigung, indem wir qua Reich den Sultan bezahlten, dessen
Rechtsnachfolger zu werden; denn der Vertrag, den der Sultan mit der
Gesellschaft geschlossen hatte, war ein für den Sultan viel ungünstigerer,
als für die Gesellschaft. Man hat dann weiter gesagt: ja, ihr konntet den
Sultan regreßpflichtig machen, wenigstens wegen der Kosten des Aufstandes,
oder ihr konntet der Deutsch-Ostafrikanischen Gesellschaft die Kosten des
Aufstandes mit ein paar Millionen in Rechnung stellen und ihr erst dann
Zinsen zahlen, wenn diese Millionen eingebracht worden wären. Ja, der
Gedanke war ja naheliegend und, wenn ich ihn auch von Haus aus nicht
für erfolgreich gehalten habe, so habe ich mich doch für verpflichtet gehalten,
ein Votum des Reichs-Justizamts darüber einzuziehen: wie weit geht wohl
unser Anspruch an die Regreßpflicht des Sultans und der Ostafrikanischen
Gesellschaft. Das Reichs-Justizamt verneinte den Anspruch nach beiden
Richtungen. Der Sultan hatte sich sehr wesentlicher Hoheitsrechte entäußert
und den Vertrag sehr vorsichtig abgeschlossen, daß von ihm nichts heraus-
zukriegen war. Die Deutsch-Ostafrikanische Gesellschaft aber regreßpflichtig
machen zu können, verneinte das Reichs-Justizamt auf Grund des Gesetzes
— wenn ich mich nicht irre — vom 2. Februar 1889. Die Motive zu
dieser lex Wißmann, in denen gesagt worden war, daß man den Wißmann
zum Reichskommissar oder einen Reichskommissar einsetzen und große Aus-
gaben machen wollte von so und so viel Millionen, nicht im Interesse der
deutschen Gesellschaft, auch nicht um Krieg zu führen gegen irgend jemand,
sondern im Interesse des Christentums und der Civilisation, würden nicht
hingereicht haben, ein Gericht zu bewegen, daß es die Deutsch-Ostafrikanische
Gesellschaft zum Kostenersatz verurteilte, wenn wir einen solchen Prozeß
hätten anstrengen wollen.
Nun will ich zu der Frage übergehen: Was haben wir denn nun
erreicht! wie stehen wir nun jetzt? — Wir haben also zunächst erreicht, daß
wir vom Sultan unabhängig geworden sind, und das ist etwas, was ich
nicht gering anschlage. So oft ich den Vertrag der Deutsch-Ostafrikanischen
Gesellschaft mit dem Sultan gelesen habe, so hat mir das Blut etwas ge-
kocht, wenn ich von Sr. Hoheit Flagge, von Sr. Hoheit Rechten in einem
Paragraphen fünf, sechsmal lesen mußte. Fragen Sie, wen Sie wollen, von
den Herren, die aus Deutsch-Ostafrika herkommen! Ihre Klagen fangen
damit an: so lange die Sultansflagge in Ost-Afrika weht, ist nichts zu
machen, kein Araber begreift, daß hier der Herr v. Wißmann Herr sein
soll, so lange die Flagge des Sultans weht, das muß erst in Ueberein-
stimmung gebracht werden. Das ist ein wesentlicher Erfolg, und ein Erfolg,
den wir nach meiner Meinung, so wie die Sachen lagen, durch die Kon-
zession, daß England das Protektorat über Sansibar haben sollte, nicht zu
teuer erkauft haben. Der Herr Redner gestern sagte, wir hätten Sansibar
aufgegeben. Das möchte ich doch nicht in diesem Wortlaut zugeben, denn
wir hatten es nie, es war ein strittiger Punkt; wir haben aber unsere An-