Full text: Europäischer Geschichtskalender. Zweiter Jahrgang. 1861. (2)

Oesterreich — deutsch - slavische Provinzen. 113 
Kraft des Vaterlandes erkennen. Ich darf erwarten, daß auch die Frage 
der Vertretung Meiner Königreiche Ungarn, Croatien, Slavonien und 
des Großfürstenthums Siebenbürgen im Reichsrathe, nach Maßgabe Meiner 
darauf bezüglichen Handschreiben vom 26. Febr. d. J. bald eine günstige 
Lösung erlangen werde. Ich vertraue diesfalls einerseits auf die Gerechtigkeit 
der Sache und andererseits auf die zuverlässig bald von allen Hemmungen 
und Bedenken sich befreiende und siegreich hervortretende Einsicht Meiner 
Völker. Sie werden sobald das Verständniß der wahren Sachlage, der 
Nothwendigkeit und der Vortheile der von Mir festgestellten Einrichtungen 
durchgedrungen sein wird, Mein Vertrauen nicht täuschen, sondern thatsächlich 
rechtfertigen. Wie sonst, so werden sie auch jetzt treu zu ihrem rechtmäßigen 
Herrscher stehen, und Ich werde sohin mit Befriedigung die Vertretung der 
gesammten Monarchie um Meinen Thron versammelt sehen. . . .  Die Pe- 
rioden der Geschichte, in welchen es den Völkern gegönnt ist, auf bereits 
gebahnten Wegen vorwärts zu schreiten, werden im Laufe der Jahrhunderte 
von Zeit zu Zeit von entscheidenden Wendepunkten unterbrochen. Uns ward 
das Glück einer ruhigen, klaren Epoche nicht zu Theil. Die Aufgabe, welche 
durch die Rathschlüsse der Vorsehung uns zugefallen ist, besteht darin, die 
Geschicke des Vaterlandes über den schwierigsten aller Wendepunkte 
glücklich hinüberzuleiten. Solche Aufgaben lassen sich nicht ohne Anstren- 
gung und mannhafte Ausdauer, nicht ohne Opfer an Gut und Blut lösen; 
aber gelöst müssen sie werden. Sie, M. H., wollen Mir, Ich bin es 
überzeugt, gewiß beistehen mit jener altösterreichischen Treue, Aufopferungs- 
fähigkeit und Hingebung, welche sich bei allen Volkerstämmen des Reiches, 
zum sichersten Beweise ihres edlen Kerus, gerade in schwierigen Lagen am 
glänzendsten bewährt hat. Meine treugesinnten Völker haben in ihren letzthin 
an Mich gelangten Ansprachen mit kräftigen Worten dem Gedanken Ausdruck 
gegeben, daß die Bedingungen des Verbandes aller Länder Meines Kaiser- 
reiches aufrecht erhalten werden müssen. Ich erkenne es als Meine im An- 
gesichte aller Meiner Völker übernommene und durch jene Kundgebungen 
nachdrücklich bekräftigte Regentenpflicht im Sinne der im Diplome vom 
20. Oktober v. Is. ausgesprochenen und in den Grundgesetzen vom 26. Fe- 
bruar I. J. zur Durchführung gelangten Ideen, die Gesammtverfas- 
sung als das unantastbare Fundament Meines einigen und untheilbaren 
Kaiserreiches (anhaltender Zuruf) !, dem in feierlicher Stunde geleisteten An- 
gelöbniß getreu, mit Meiner kaiserlichen Macht zu schützen, und bin festen 
Willens, jede Verletzung derselben als einen Angriff auf den Bestand der 
Monarchie, auf die Rechte aller Meiner Länder und Völker (langanhaltender 
Zuruf!) nachdrücklich zurückzuweisen. Und so wie es denn an dem Zu- 
sammenwirken Unserer eigenen Kräfte nicht fehlen wird — so wolle Gott, 
Unser Beginnen und Vollenden segnend, die Krone und das Reich, die Völ- 
ker und ihre Vertreter schützen und schirmen mit seiner allwaltenden Macht“. 
4. Mai. Bei der Wahl der Adreßcommission im Abg.-Hause siegt die 
 
  
centralistische Partei über die föderalistische. 
6.5.  Adresse sämmtlicher im Reichsrathe sitzender katholischer Erz- 
bischöfe und Bischöfe an den Kaiser: 
. . . Die Feinde Orsterreichs und der Kirche haben für den Augenblick 
die öffentliche Meinung verfälscht und unterjocht. Zu welcher Ausbildung 
die Künste der Wühlerei gelangt sind, erfuhr Italien; mit welcher Frech- 
heit die Lüge gehandhabt wird, zeigt das Gaukelspiel der Volksabstimmungen, 
auf welche der König von Sardinien seine Rechte zu gründen vorgibt. Mit 
ähnlichen Künsten, mit ähnlichen Waffen der Lüge und Verleumdung zieht 
man gegen die katholische Kirche oder vielmehr gegen das Christenthum zu 
Felde; die Schranken des Gesetzes sind durchbrochen und Religion 
und Sittlichkeit, Recht und Wahrheit den Schmähungen einer Anzahl 
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