60 Das deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (März 12.—13.)
12. März. (Reichstag: Marineetat.) Ein Kompromiß
— Bewilligung von 2 Panzerfahrzeugen, dagegen Absetzung einer
im vorigen Etat bewilligten Kreuzerkorvette — wird von einer
großen Mehrheit genehmigt. Dagegen stimmt ein Teil der frei-
sinnigen Partei, die Volkspartei und die Sozialdemokraten. Abg.
Rickert befürwortet das Kompromiß und stimmt mit einem Teil
der Fraktion dafür, während Abg. Richter dagegen spricht. Die
Novelle zum Patentgesetz wird in der Fassung der Kommissions-
beschlüsse durch Akklamation genehmigt. (Gesetz vom 7. April 1891.)
12. März. Der Kaiser erkundigt sich persönlich nach dem
Befinden des lebensgefährlich erkrankten Abgeordneten Windthorst.
13. März. Kultusminister v. Goßler wird seinem An-
suchen gemäß von seinem Amt unter Belassung des Titels und
Ranges eines Staatsministers sowie unter Verleihung des Sterns
der Großkomthure des Königlichen Hausordens von Hohengollern
entbunden, und Ober-Präsident der Provinz Posen, Graf v. Zedlitz-
Trützschler an seiner Stelle ernannt. Landrat a. D. Freiherr von
Wilamowitz-Möllendorff wird Oberpräsident von Posen.
13. März. Herr v. Goßler verabschiedet sich von den Be-
amten des Kultusministeriums. Er sagt in seiner Rede:
Er scheide aus seinem Amte, das er zehn Jahre mit freudiger Hin-
gabe an seine Pflichten verwaltet habe, nicht lediglich, weil er sich nach
Ruhe sehne, sondern weil die politischen Verhältnisse sich in der jüngsten
Zeit so gestaltet hätten, daß er befürchte, unter Umständen eine Last und
ein Hemmnis bei den Maßnahmen der Königlichen Staatsregierung zu sein.
Er glaubte deshalb, dem Vaterlande, für dessen Wohl er seine ganze Kraft
bisher eingesetzt habe, in diesem Augenblicke einen Dienst dadurch zu leisten,
daß er sein Amt niederlege.
13. März. (Reichstag.) Abg. Jebsen:
Nachdem der Staatssekretär Hollmann seine Anfrage, betreffend die
Entsendung eines Kriegsschiffes nach Chile, nur damit beantwortet
habe, daß die festen Stationen der Marine in fremden Meeren eine solche
Entsendung unmöglich machten, müsse er sich heute mit derselben Frage an
den Reichskanzler selbst wenden. Er meine, die deutschen Angelegenheiten in
Samoa oder China und Japan dürften doch das Entsenden eines Schiffes
nach Chile nicht verhindern, und wenn auch die deutschen Unterthanen in
Chile unter den Schutz der englischen Flotte gestellt seien, so möchte er doch,
da die chilenische Revolution länger anzudauern scheine und da in Chile
wichtige Interessen von Angehörigen des Deutschen Reiches auf dem Spiele
ständen, um Absendung eines besonderen Kriegsschiffes nach den chilenischen
Gewässern bitten.
Reichskanzler v. Caprivi:
Wenn die Reichsregierung die Absicht gehabt hätte, nach Chile Schiffe
zu entsenden, so boten sich ihr drei Wege dar. Der erste und kürzeste war
der, den einzigen Kreuzer, der sich zur Zeit auf der australischen Station