Object: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

324 Uebersicht der politischen Entwichelung des Jahres 1896. 
wie durch Waffengewalt zum Gehorsam zurückführen wollte, wurde 
abberufen und durch General Weyler ersetzt, dem der Ruf der 
Strenge, ja der Grausamkeit, vorherging. Er begann sein Regiment 
mit der strengen Aufforderung an die Aufständischen, unverzüglich 
die Waffen niederzulegen, ehe von administrativen Zugeständnissen 
die Rede sein könne. Als der Erfolg ausblieb, suspendierte er alle 
Reformen und versuchte durch große Schläge die Insurgenten zu 
vernichten, aber die Aufrührer wichen jeder großen Entscheidung 
aus. Es wurde fortwährend scharmützelt, und im Dezember geriet 
sogar die Umgebung der Hauptstadt in Gefahr, von dem kühnen 
Rebellenhäuptling Maceo gebrandschatzt zu werden. Der Tod dieses 
Führers vereitelte zwar dies Vorhaben, allein die von den Spaniern 
erhoffte Erschlaffung des Widerstandes nach Maceos Fall trat nicht 
ein. Trotz der großen auf der Insel versammelten Truppenmassen 
stehen die Dinge im wesentlichen ebenso wie vor einem Jahre; es 
wird der künftigen Geschichtsschreibung vorbehalten sein, festzustellen, 
weshalb die Spanier nicht vorwärts kommen, insbesondere, ob etwa 
die verdorbene Verwaltung, wie sie den Aufstand hervorgerufen 
hat, nun auch seine Niederwerfung verhindert, indem sie durch un- 
genügende Verpflegung energische Operationen unmöglich macht. 
Komplizierter wurde der cubanische Aufstand durch die offene Par- 
teinahme der Nordamerikaner für die Insurgenten, und nur die 
Abneigung Clevelands gegen internationale Verwicklungen ver- 
hinderte einen Bruch zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten. 
— Aus ähnlichen Ursachen wie auf Cuba brach im Sommer auch 
auf den Philippinen ein Aufstand aus, den die Spanier trotz der 
Anwendung terroristischer Mittel bisher noch nicht niederschlagen 
konnten. Hier soll der Hauptgrund der Empörung die religiöse 
Tyrannei der zahlreichen Mönche sein. — Beide Feldzüge ver- 
schlingen ungeheure Summen, und wenn die Kosten auch vorläufig 
durch die innere Anleihe, bei der sich der Patriotismus des spanischen 
Volkes in glänzendem Lichte zeigte, gedeckt sind, so ist doch nicht 
abzusehen, wie bei längerer Dauer der beiden Kriege die Gelder 
aufgebracht werden sollen. Unter diesen Umständen herrscht in 
Spanien, zumal die wirtschaftliche Lage andauernd ungünstig ist, 
Unzufriedenheit und Pessimismus. Wiewohl das konservative Mini-
	        
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