Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 13.—15.) 11
Ich habe mit Befriedigung durch die Meldung des kommandierenden
Admirals vernommen, in welch umsichtiger und energischer Weise die Be-
setzung der Kiaotschou-Bucht und die Unternehmung gegen Haiti im Sinne
der erteilten Instruktion durchgeführt ist. Ich nehme hieraus gerne Ver-
anlassung, den Kommandanten und Besatzungen Meiner dabei beteiligten
Schiffe meine Anerkennung auszusprechen.
gez. Wilhelm, I. R.
13. Januar. (Berlin.) Eine große Versammlung von
hervorragenden Industriellen, Kaufleuten, Vertretern von Handels-
kammern und kaufmännischen Korporationen spricht sich für die
Flottenvorlage aus.
13. Januar. (Reichstag.) Antrag der Abgg. Prinz von
Arenberg und Genossen betreffend Änderungen und Ergänzungen
des Strafgesetzbuchs.
Abg. Spahn begründet den Antrag, der den erhöhten Schutz der
Sittlichkeit bezweckt, mit der in allen Schichten des Volkes um sich greifen-
den Sittenverderbnis. Die Zahl der Ehescheidungen, der unehelichen Ge-
burten und Prostituierten nehme zu. Der Verführung der Jugend müsse
vorgebeugt werden, daher sei die Verbreitung von unzüchtigen Bildern und
Büchern zu beschränken. Daher müsse das Strafminimum auf solche Ver-
gehen erhöht werden. Das Zuhälterwesen müsse unter Strafe gestellt und
besonders scharf Zuhälter bestraft werden, wenn sie Ehemänner der be-
treffenden Weibsperson sind, weil die Zuhälter mit diesen Ehen schließen,
um deren Gewerbe zu decken. Das Schutzalter unbescholtener Mädchen
müsse auf das 18. Lebensjahr erhöht werden. Arbeitgeber oder Dienstherren
sollten bestraft werden, wenn sie unter Mißbrauch des Arbeits- oder Dienst-
verhältnisses ihre Arbeiterinnen zur Duldung oder Verübung unzüchtiger
Handlungen bestimmen. Abg. Schall (kons.) stimmt der Vorlage zu. Die
Ursachen der Unsittlichkeit seien materielle Mißstände, wie Schlafstellenwesen,
niedrige Löhne, vor allem aber die Abwendung vom Christentum. Abg.
Pieschel (nl): Die Vorlage sei Flickwerk, bringe jedoch manche dankens-
werte Bestimmungen, wie die Bestrafung der Zuhälter. Andere, wie die
über den Mißbrauch des Dienstverhältnisses seien nicht ausführbar. Abg.
Bebel (soz.) führt die Prostitution auf wirtschaftliche Verhältnisse zurück
und fordert zur Abhilfe dieselben politischen und wirtschaftlichen Rechte
für die Frauen wie für die Männer. — Am 19. Januar wird der Ent-
wurf einer Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.
14. Januar. Der Reichstag berät in erster Lesung einen
Antrag Salisch (kons.) auf Einführung des Nacheides und einen
Antrag Rintelen (Z.) auf Wiedereinführung der Berufung gegen
die Urteile der Strafkammern. — Für die Tendenz der Anträge
sprechen sich fast sämtliche Redner aus. Der Antrag Salisch wird
der juristischen Kommission überwiesen.
15. Januar. (Bayer. Landtag.) Reichsrat Prinz Ludwig
über Kanalbauten.
Bei der Beratung des Etats der Straßen-, Brücken- und Wasser-
bauten betont Prinz Ludwig die Notwendigkeit der Flußkorrektionen,