Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 31.) 25 
nissen nur für Straßen, Wegebauten, Entwässerung und dergleichen Arbeiten 
im Freien verwendet werden könnten; für Arbeiten, die sich nicht stabil an 
einem Ort erledigen, sondern sich von Strecke zu Strecke weiter in das 
Land hinein bewegen, — ein Umstand, der natürlich die Unterbringung 
und Beaufsichtigung der Sträflinge aufs höchste erschwert. Auch der Gou- 
verneur dieser Kolonie, die, wie gesagt, die verhältnismäßig am wenigsten 
ungünstigen Bedingungen für eine Deportation bieten würde, erklärt, daß, 
wenn man einen Versuch mit diesem Strafmittel machen wolle, man ihn 
nur machen dürfe mit einer kleinen Zahl von Gefangenen, höchstens 100, 
auf die man sich zunächst beschränken müsse, bis weitere Erfahrungen in 
der Praxis gesammelt sein würden, daß man zweitens keine Gefangenen 
hinbringen dürfe, die wegen Eigentumsvergehen Strafe erleiden, weil der 
Import derartiger Leute im Lande große Beunruhigung erzeugen würde; 
daß man drittens keine weiblichen Personen hinbringen dürfe, und daß 
man endlich unter allen Umständen dafür sorgen müßte, diejenigen Depor- 
tierten, die ihre Strafen dort verbüßt haben, nicht etwa dort zu lassen, 
sondern wieder in ihre Heimat zurückzuführen habe. (Sehr richtig!) 
31. Januar. (Berlin.) Der „Reichs-Anzeiger“ veröffent- 
licht folgenden Dankerlaß des Kaisers: 
Mit herzlicher Freude habe Ich es auch bei der diesjährigen Wieder- 
kehr meines Geburtstages erfahren dürfen, wie festlich dieser Tag im ganzen 
Reiche und weit über seine Grenzen hinaus begangen ist und welche treuen 
Wünsche und Fürbitten Mich in das neue Lebensjahr geleitet haben. Eine 
große Anzahl von schriftlichen und telegraphischen Kundgebungen gab Mir 
ein beredtes Zeugnis davon, daß das Band, welches Mich mit dem deutschen 
Volke verbindet, auf treuer Anhänglichkeit und zuversichtlichem Vertrauen 
gegründet ist. Ich habe aus den begeisterten Huldigungen aber auch mit 
Befriedigung ersehen, welch freudigen Wiederhall die jüngsten Erfolge unserer 
Bemühungen, den deutschen Interessen auch im Auslande einen ausreichen- 
den Schutz und eine gesunde Weiterentwicklung zu sichern, in den Herzen 
aller Patrioten, besonders auch bei den fern vom Vaterlande lebenden 
Deutschen gefunden haben. Mein Sinnen und Denken wird im Aufblick 
zu Gott dem Herrn auch ferner darauf gerichtet sein, die Sicherheit und 
die Wohlfahrt des Reiches zu fördern und zu heben. Von dem Wunsche 
beseelt, Allen, welche Mich an Meinem Geburtstage durch freundliche 
Wünsche und sonstige Aufmerksamkeiten erfreut haben, Meinen wärmsten 
Dank zu erkennen zu geben, ersuche Ich Sie, diesen Erlaß alsbald zur 
öffentlichen Kenntnis zu bringen. 
Berlin, Schloß, den 31. Januar 1898. 
Wilhelm, l. R. 
31. Januar. (Badischer Landtag.) Die zweite Kammer 
faßt mit 29 (Zentrum, Sozialdemokraten, Freisinnige, Demokraten) 
gegen 28 Stimmen (Nationalliberale und 1 Zentrum) folgenden 
Beschluß über den Geschichtsunterricht: 
Die Petition der Ortsgruppen der deutschen Friedensgesellschaft zu 
Mannheim, Pforzheim, Offenburg, Konstanz und Lörrach wegen Reform 
des Schulunterrichtes ist der großherzoglichen Regierung zur Kenntnis- 
nahme zu überweisen in dem Sinne, daß die Geschichts- und Lesebücher der 
Volks- und Mittelschulen einer sorgfältigen Prüfung und Sichtung des 
Stoffes unterzogen werden, und zwar nach folgenden Grundsätzen: 1) alles 
chauvinistische Beiwerk ist fernzuhalten; 2) die Geschichte der Kriege ist nur
	        
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