Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierzehnter Jahrgang. 1898. (39)

80 Des Nenische Reich und seine einzelnen Glieder. (März 22. 23./26.) 
und Waisen, die Entschädigung für Nichtbenutzung des Civilversorgungs- 
scheins und die Belassung der Militärpension neben dem Civildiensteinkommen 
resp. der Civilpension, Rechnung getragen wird. (Antrag Abg. Graf 
Oriola, nl.) 
22. März. (Bayern.) Der Prinz-Regent Luitpold wohnt 
der feierlichen Enthüllung einer Büste Kaiser Wilhelms I. in der 
Walhalla bei. 
22. März. (Preußen.) Der sächsische Provinzial-Landtag 
lehnt mit 61 gegen 46 Stimmen die Beteiligung der Provinz an 
der Aufbringung der Kosten für den Mittellandkanal ab. 
23./26. März. (Reichstag.) Zweite Beratung der Flotten- 
vorlage. Diskussion über die Stellung des Zentrums. Erklärung 
der Polen. Reden von Richter und Tirpitz. 
Referent Abg. Lieber (Z.) berichtet über die Verhandlungen der 
Kommission bezüglich der einzelnen Fragen: Herstellung des Sollbestandes 
in einer bestimmten Frist, Bereitstellung der Mittel und Deckung der Kosten. 
Der Zweck der Vorlage, die eine neue Periode für die Entwickelung der 
Marine eröffne, sei hauptsächlich eine sichere Abwehr einer wirksamen Blockade 
unserer Küsten. Der Berichterstatter weist dann aus den Verhandlungen 
über die Verfassung nach, daß eine Bewilligung von Geldmitteln auf eine 
längere Reihe von Jahren durchaus zulässig sei. Die Vorlage enthalte den 
ausgereiften, durchdachten Gedanken einer gesetzlichen Organisation der Flotte, 
die in einer gewissen Frist vollständig hergestellt sein solle. Man hätte 
außer dem Weg, den die Vorlage eingeschlagen habe, auch den Weg wählen 
können, eine große Anleihe aufzunehmen oder für sämtliche neuzubauenden 
Schiffe die ersten Raten zu fordern und alle Schiffe sofort auf den Stapel 
zu legen. Der Weg, den die Vorlage einschlage, biete die Gelegenheit, in 
den einzelnen Jahren sich der Finanzlage anzupassen. Für die Flotten- 
organisation sei allerdings das Aeternat vorgeschlagen. Aber dieses Aeternat 
bestehe schon bei der Organisation des Heeres für die Formationen, wenn 
auch nicht in Bezug auf die Präsenzziffer. Obwohl die finanzkundigen 
Mitglieder der verbündeten Regierungen und der Kommission der Meinung 
gewesen seien, daß die gegenwärtigen Einnahmen des Reichs bereits aus- 
reichen würden, die Mittel für die Verstärkung der Flotte zu beschaffen, 
habe die Kommission darüber hinaus für den Notfall sich mit der Frage 
der Deckung beschäftigt. Es seien darüber verschiedene Vorschläge gemacht 
worden, und zwar die Schaffung einer Reichs-Einkommensteuer oder die 
Verteilung der Matrikularbeiträge auf die stärksten Schultern. Ein Ver- 
mittelungsantrag habe schließlich die Zustimmung der Kommission gefunden. 
Abg. Graf Hompesch (Z.) gibt folgende Erklärung ab: Die dem 
Reichstage unterbreitete Flottenvorlage ist durch die Beschlüsse der Kom- 
mission in Bezug auf die Organisation, Bindung und Deckung, sowie durch 
die hinsichtlich der letzteren namens jeder einzelnen der verbündeten Regie- 
rungen abgegebenen Erklärungen so gestaltet worden, daß der zum Schutz 
des Vaterlandes vorgeschlagenen Vermehrung und Befestigung der deutschen 
Kriegsflotte in dieser von der Kommission gewählten Form nach Ansicht 
der Mehrheit meiner politischen Freunde zugestimmt werden kann. Eine 
Minderheit meiner politischen Freunde weiß sich zwar in den Zielen der 
Vorlage mit der Mehrheit der Fraktion einig, hält jedoch bezüglich des 
Weges, auf welchem dieses Ziel erreicht werden soll, auch den Ergebnissen
	        
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