Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Fünfzehnter Jahrgang. 1899. (40)

        Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Jannar 16.)        17
 
netzes, sowie zur Förderung der Kleinbahnunternehmungen wird auch in 
diesem Jahre Ihre Mitwirkung in Anspruch genommen werden. Bereits 
bei dem Bau eines Kanals von Dortmund nach den Emszhäfen ist die 
Herstellung einer leistungsfähigen Wasserverbindung zwischen dem Rhein, 
der Weser und der Elbe im Interesse des Verkehrs und der heimischen 
Gütererzeugung als notwendig erkannt worden. Die seither eingetretene 
außerordentliche Steigerung des Verkehrs, insbesondere das Bedürfnis, für 
Massengüter leistungsfähige, billige Verkehrswege zu schaffen, lassen den 
unverzüglichen Ausbau einer neuen Wasserstraße zwischen diesen großen 
Strömen, und damit die Herstellung eines für den Westen und den Osten 
gleich vorteilhaften Verbindungsweges dringlich erscheinen. Demselben wird 
zugleich die wichtige Aufgabe zufallen, das Landeskulturinteresse der an- 
liegenden Gebiete durch Verbesserung der Wasserverhältnisse zu fördern. 
Auf Grund der bisherigen Verhandlungen ist zu erwarten, daß die Nächst- 
beteiligten durch Uebernahme der geforderten Garantien ihr Interesse ge- 
nügend bekunden werden. Es wird Ihnen daher eine Vorlage zugehen, 
welche den Bau von Schiffahrtskanälen von dem Dortmund-Ems-Kanale 
einerseits nach dem Rheine, andererseits nach der Weser und der Elbe 
vorsieht, und welche Ich Ihrer tätigen Unterstützung anempfehle. Die 
schwierigen Verhältnisse, mit denen die Landwirtschaft noch immer zu 
kämpfen hat, nehmen Meine Teilnahme nach wie vor in Anspruch. Meine 
Regierung erachtet es als ihre ernste Pflicht, fortgesetzt auf die Hebung 
der Landwirtschaft bedacht zu sein. Die Sicherung der im Jahre 1897 
von Hochwasserschäden schwer heimgesuchten Landesteile gegen die Wieder- 
kehr ähnlicher Verheerungen ist Gegenstand umfangreicher technischer Vor- 
arbeiten gewesen, nach deren Abschluß Verhandlungen mit den Provinzial- 
vertretungen über die als notwendig erkannten Abhilfemaßregeln ein- 
geleitet sind. Das Bürgerliche Gesetzbuch und die gleichzeitig am 1. Januar 
1900 in Kraft tretenden Reichsgesetze machen eine Reihe von Vorschriften 
notwendig, um das neue Reichsrecht auf den dem Landesrechte vorbehal- 
tenen Gebieten zu ergänzen und ältere Landesgesetze ihm anzupassen. Ihrer 
Beschlußfassung werden die Entwürfe der hierzu bestimmten Gesetze unter- 
liegen, deren rechtzeitige Verabschiedung zur Durchführung des großen 
Gesetzgebungswerkes erforderlich ist. Meine Herren! Die wirtschaftlichen 
und politischen Gegensätze, von denen unsere Zeit erfüllt ist, legen der 
Verwaltung und Gesetzgebung in besonderem Maße die Pflicht auf, un- 
beirrt von dem Streite des Tages, die staatlichen Einrichtungen im Inter- 
esse aller Klassen der Bevölkerung zu sichern und auszubauen. Die Grund- 
lagen unseres Staats= und Volkslebens sind gesund und festgefügt. In 
ernstem Streben wird an der Entfaltung der geistigen und sittlichen 
Kräfte des Volkes gearbeitet. Auf wirtschaftlichem Gebiete zeigt sich ge- 
steigerte Schaffensfreudigkeit und stetige Entwicklung; der Wohlstand des 
Landes ist sichtlich im Wachsen. Mit Zuversicht blicke ich deshalb in die 
Zukunft. Ihren Arbeiten, die Gott segnen möge, wünsche Ich vollen Erfolg 
zum Wohle des Vaterlandes. 
       16. Januar. (Preußisches Herrenhaus.) Präsidenten- 
wahl. Nachruf auf Fürst Bismarck. 
         Das Herrenhaus wählt sein altes Präsidium, Fürsten zu Wied, 
Frhrn. v. Manteuffel und Oberbürgermeister Becker durch Akklamation 
wieder. Der Präsident gedenkt der verstorbenen Mitglieder und fährt dann 
 fort: Meine Herren! Außer denen, die ich genannt habe, haben wir noch 
ein Mitglied verloren, dessen Wirksamkeit weit über die Grenzen Preußens 
und Deutschlands hinausging, dessen Ruhm den Erdkreis erfüllt. Unter 
           Europäischer Geschichtskalender. XI.,                                                2
	        
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