Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zweiundzwanzigster Jahrgang. 1906. (47)

Grosbrülannien. (Mai 9.) 297 
lich gemacht, die Regelung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Das ist 
auch der Grund, weshalb wir jetzt auf Erfüllung unserer ursprünglichen 
Jorderung auf gemeinsame Feststellung der Grenze dringen. Ich denke, 
ich darf für die Regierung in Anspruch nehmen, daß sie große Geduld 
und Mäßigung an den Tag gelegt hat, die letzte Entwickelung der türki- 
schen Forderungen würde aber, wenn sie zugelassen würde, die Türkei in 
eine Stellung bringen, welche eine wirkliche Gefahr nicht allein für die 
Freiheit des Suezkanals, sondern auch für die Freiheiten Egyptens und 
die Sicherheit der Dynastie des Khediven sein würde. Die Regierung 
konnte gegenüber diesen Fragen nicht gleichgültig sein, und ihre Wichtigkeit 
macht es nötig, daß wir jetzt auf eine Beilegung auf Grundlage der Grenze 
Egyptens drängen, wie sie unbestritten und ungestört seit sieben Jahren 
bestanden hat. 
9. Mai. (Unterhaus.) Resolution über Abrüstung. 
Abg. Vivian (lib.) beantragt eine Resolution, in welcher die Re- 
gierung aufgefordert wird, wirksame Schritte zu unternehmen, um die 
Ausgaben für die militärischen und maritimen Rüstungen zu verringern 
und die Aufnahme eines auf Einschränkung der Kriegsrüstungen gerichteten 
Antrags in das Programm der Haager Friedenskonferenz zu betreiben. 
Abg. Bellairs (lib.) beantragt dazu ein Amendement, in welchem erklärt 
wird, daß das Haus sich darauf verlasse, die Regierung werde die Ober- 
hoheit Englands zur See aufrecht erhalten, und daß es der Regierung 
nicht empfehlen könne, Erörterungen betreffs der Rüstungen herbeizuführen, 
welche die auswärtigen Mächte für die Verteidigung ihrer Gebiete als 
notwendig erachteten. — Er begründet das Amendement namentlich mit 
dem Wachstum der deutschen Flotte und der antienglischen Stimmung in 
Deutschland. 
Staatssekretär des Auswärtigen Grey: Er sei der Ansicht, daß in- 
folge des allgemein unter den Völkern Europas verbreiteten Gefühls der 
Notwendigkeit einer Reduktion der Ausgaben für militärische Rüstungen 
eine Erklärung von der Art, wie die Viviansche Resolution sie enthalte, 
wegen des Eindrucks, den sie auf andere Regierungen machen werde, von 
Wert sei. Er glaube nicht, daß zu irgend einer Zeit die öffentliche Mei- 
nung in Europa stärker auf die Erhaltung des Friedens bedacht gewesen 
sei als gerade jetzt. Die Haager Konferenz könne kein verdienstlicheres 
Werk tun, als die Bedingungen für den Frieden weniger kostspielig als 
bisher zu gestalten, und nach keiner nutzbringenderen Aufgabe streben, als 
ein praktisches Ergebnis zutage zu fördern, das zur Herabminderung der 
Ausgaben führen könne.. Es ist angeführt worden, daß wir auf die 
anderen Mächte warten sollten, um unsere Ausgaben zu verringern. Aber 
wie die Verhältnisse liegen, warten alle Mächte aufeinander. Eines Tages 
wird eine derselben den ersten Schritt tun müssen. Ich kann daher die 
Zusatzerklärung Bellairs nicht akzeptieren. Es könne sein, daß eine andere 
Macht bereit sei, in dieser Hinsicht den ersten Anstoß zu geben, es sei aber 
auch nicht ausgeschlossen, daß England ihn unternehme. Es habe niemals 
eine Zeit gegeben, in der die relative Ueberlegenheit der englischen Flotte 
stärker gewesen sei als gerade jetzt. Was England auf der Haager Kon- 
ferenz werde tun können, müsse von der Antwort der anderen Regierungen 
abhängig gemacht werden und von dem Interesse, das die anderen Parla- 
mente dieser Angelegenheit entgegenbringen würden. Er nehme aber die 
Resolution namens der Regierung als eine erfreuliche Aeußerung der öffent- 
lichen Meinung an und heiße sie aus diesem Grunde willkommen. Er sei 
überzeugt, daß die Resolution auch von anderen Ländern als eine von
	        
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