Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierundzwanzigster Jahrgang. 1908. (49)

Felsien. (Januar 8.—März 5.) 369 
zwischen den deutschen und schweizerischen Müllern über eine Ermäßigung 
der Mehleinfuhr geführt worden sind. Leider sind diese Verhandlungen 
erfolglos geblieben. Der Bundesrat hat deshalb, um eine Verständigung 
herbeizuführen, bei der deutschen Regierung angefragt, ob und unter 
welchen Bedingungen sie bereit wäre, den Mehlzoll freizugeben. Die 
deutsche Regierung antwortete, sie wolle den Vorschlag ebenfalls in Er- 
wägung ziehen. Eine nähere Erklärung steht noch aus, der Bundesrat 
erwartet aber eine baldige Antwort. Für ein Getreidemonopol liegen 
bereits ausgearbeitete Entwürfe vor, die bald weiteren Kreisen zur Be- 
ratung unterbreitet werden sollen. Der Bundesrat hat dazu noch nicht 
Stellung genommen; er wird der Mehlfrage auch ferner volle Auf- 
merksamkeit widmen und hofft auf Unterstützung durch die Bundesver- 
sammlung, wenn es nötig werden sollte, zur Rettung einer Industrie, 
deren Erzaltung für die Brotversorgung und damit für die Unabhängig- 
keit des Landes unentbehrlich ist, autonome Maßnahmen zu ergreifen. 
  
X. 
Belgien. 
8. Januar. Der Kammerpräsident Schollaert übernimmt 
das Ministerpräsidium. 
31. Januar. Zur Kongofrage erklärt der Ministerpräsident, 
daß die Kronstiftung aufgegeben würde und der belgisch-kongolesische 
Annexionsvertrag an die beiderseitigen Bevollmächtigten zurück- 
verwiesen werde. 
5. März. (Kammer.) Die Regierung legt die Zusatzakte 
zum Kongo-Angliederungsvertrage vom 28. November 1907 vor. 
Sie bestimmt, daß im Falle der Annexion des Kongostaates durch 
Belgien sämtliche Güter, die bisher die sogenannte Krondomäne bildeten, 
in den Besitz des Staates übergehen. Zu diesen gehören das Landgebiet 
in Afrika, die dortigen Immobilien und das Portefeuille, das Anteile 
der Krondomäne an mehreren Gesellschaften enthält, ferner in Europa die 
in Belgien gelegenen Immobilien im Werte von etwa drei Millionen und 
die an der Azurküste gelegenen Besitzungen, deren Nutznießung dem König 
bis zu seinem Tode verbleibt. Die Abtretung der Krondomäne ist an die 
Erfüllung folgender Bedingungen gebunden: 1. Entrichtung einer Jahres- 
rente von 120000 Franken an den belgischen Thronfolger Prinzen Albert 
und einer Jahresrente von 750000 Franken an die Prinzessin Klementine, 
Tochter des Königs. 2. Anerkennung der von der Krondomäne mehreren 
Gesellschaften gemachten Konzessionen, sowie der Mission von Scheut bei 
Brüssel gegebenen Landversprechung. 3. Errichtung eines Fonds von 
45 Millionen aus Mitteln des belgischen Staates zur Ausführung der 
im Auftrage der Krondomäne begonnenen bezw. von dieser in Auftrag 
gegebenen Arbeiten. (Begründet wird diese Bedingung damit, daß nach 
Europäischer Geschichtskalender. XIX. 24
	        
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