Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

4 Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Januar 8.) 
Die Versammlung erkennt zwar die Gründung des Blattes als 
wünschenswert an, verwahrt sich im übrigen aber dagegen, daß unter Auf- 
wendung staatlicher Machtmittel eine Ausnahmestellung für das Unter- 
nehmen geschaffen wird, die die übrige Presse des Landes in ihren wich- 
tigsten Existenzbedingungen schädigen würde. 
8. Januar. Die „Post“ teilt Einzelheiten über eine bevor- 
stehende neue Militärvorlage mit. 
Die Stärke der Kompanien werde so bedeutend erhöht werden, daß 
sie allen Anforderungen gewachsen seien. Die fehlenden dritten Bataillone 
sollen nachgefordert werden, die Kavalleriedivisionen schon im Frieden auf- 
gestellt und die Ersatzreserven, wie früher, zur Ausbildung mit der Waffe 
einberufen werden. Die bereits bei einigen Armeekorps über die normale 
Zahl hinausgehenden Brigaden und Regimenter sollen zu einem Armee- 
korps zusammengefaßt, auch die Bespannung der Artillerie vermehrt werden. 
8. Januar. (Preußisches Abgeordnetenhaus.) Etats- 
rede des Finanzministers Dr. Lentze: 
Bei der Aufstellung des Etats für 1911 war die wirtschaftliche Lage 
folgende: Die Landwirtschaft hatte eine befriedigende Ernte gehabt. Schiff- 
fahrt und Industrie konnten sich nur langsam von der Depression erholen, 
aber ein wirtschaftlicher Aufschwung war im ganzen unverkennbar. Die 
Lage des Staatshaushalts war der wirtschaftlichen Lage und der Auf- 
besserung der Beamtengehälter entsprechend. Die Ausgaben der Staats- 
verwaltung wurden nach Möglichkeit zurückgehalten. Mit dieser Praxis 
mußte im Etat 1911 gebrochen werden. Dank dem glänzenden Aufschwung 
von Handel und Industrie sind aber die Einnahmen von Eisenbahn und 
Bergwerken gewaltig gestiegen. Die Forsten ergaben außergewöhnliche Ein- 
nahmen. So schloß der Etat für 1911 mit einem Ueberschuß von 7,3 Mil- 
lionen und 160 Millionen konnten dem Reservefonds zugeführt werden. 
Der Ueberschuß wird zur außerordentlichen Schuldentilgung verwendet 
werden. Nach zehnjähriger Unterbrechung wird dieselbe also jetzt zum 
ersten Male wieder ausgenommen. Auch für das Jahr 1912 scheint 
sich das Ergebnis günstiger zu gestalten, als bei Aufstellung des Etats er- 
wartet werden konnte. Es läßt einen Reinüberschuß von 19 Millionen und 
eine Ueberweisung an den Ausgleichsfonds von 157 Millionen erwarten. 
Die in den letzten Monaten vorgekommenen Verkehrsstörungen der Eisen- 
bahn machen die Erweiterung zahlreicher Bahnhofsanlagen notwendig. Es 
ist nötig, diese Ausgaben sofort flüssig zu machen und daher legen wir 
einen Nachtragsetat für diese Forderung vor. Ein Teil davon soll den 
Beamten zufallen. Die gering besoldeten Beamten werden durch die Teue- 
rung am empfindlichsten getroffen. Die Regierung kann zwar keine Teue- 
rungszulage bewilligen, sie will aber auf anderem Wege Abhilfe schaffen. 
Teuerungszulagen haben nur Sinn als Vorläufer einer Besoldungsaufbesse- 
rung, wenn sie den Charakter einer dauernden Zulage haben. Für eine 
Erhöhung der Besoldung fehlen uns aber zur Zeit die Mittel. Auch ist 
die Zeit dafür noch nicht gekommen, nachdem erst drei Jahre seit der letzten 
Erhöhung verflossen sind. Die Beamten müssen deshalb wie andere Staats- 
bürger auszukommen suchen. Aber die Regierung will in einzelnen Fällen 
Unterstützung gewähren. Ich habe bereits für 1911 um die Vollmacht ge- 
beten, die Unterstützungsfonds um 1 Million zu überschreiten. Inzwischen 
sind diese Fonds weiter erhöht worden, auch im neuen Etat. Es sind im 
ganzen bisher 10 Millionen für diesen Zweck ausgeworfen worden und die 
Staatsregierung hofft, daß dadurch die Beamten über die Schwierigkeiten
	        
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