Das Deutsche Reich und seine einzelnen Glieder. (Juni 28.) 275
ich versäumte, Sie von dieser Notwendigkeit zu überzeugen. Meine Herren
(zu den Sozialdemokraten), wollen Sie sich denn überzeugen lassen? (Sehr
richtig! rechts und links.) Sie stellen sich dauernd auf den Standpunkt,
daß Sie sagen: diesem Staat und dieser Armee geben wir keine Ver-
stärkung, und weil Sie auf diesem Standpunkt stehen, gehen Sie blind an
den Tatsachen vorüber, die vor aller Augen liegen, und die die verbündeten
Regierungen gemeinschaftlich mit der großen Mehrheit dieses hohen Hauses
davon überzeugt haben, daß wir Ihnen die Vorlage machen lediglich zum
Schutz und zur Sicherheit des Vaterlandes. Der Abg. Scheidemann sprach
davon, wir seien mit dieser Vorlage der agent provocateur für Wett-
rüften. Ich finde keinen Ausdruck, der geeignet wäre, eine solche Aeuße-
rung, einen solchen Vorwurf eines deutschen Reichstagsabgeordneten zurück-
zuweisen. (Lebhafte Zustimmung r., i. Z. und l.) Den Vorwurf, daß wir
mit unserer Wehrvorlage zum Kriege trieben — er ist von Ihrer Seite
oft gemacht worden —, weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Wir
suchen keine Feinde in der Welt. Wir sind bereit und wir wünschen, mit
allen unseren Nachbarn in Frieden und Freundschaft zu leben. (Bravol)
Deutschland hat in einer langen Zeit den Beweis geführt, daß es nicht
eine Politik des Angriffs treibt, und die Herren Sozialdemokraten sollten
ebensowenig an dieser geschichtlichen Tatsache vorübergehen wie an der
noch nicht abgeschafften geschichtlichen Wahrheit, daß Stärke der beste Schutz
vor Angriff ist. (Lebhafte Zustimmung.) Der Herr Abg. Scheidemann
hat sich mit großer Emphase heute wieder als einen Feind des Militarismus
hingestellt. Was ist Militarismus? Meinen Sie mit dem Militarismus
unsere Armee? (Zuruf von den Sd.: Sicher!) In einem großen Or-
ganismus, wie unser Heer ihn darstellt, ist dauernd zu arbeiten und ist
auch dauernd zu bessern. Das sieht die Armce selber als ihre Aufgabe
an, sie arbeitet daran, und wir alle werden auch mit daran arbeiten. Wenn
Unvollkommenheiten zur Sprache gebracht werden — und darauf bezieht
sich ja ein großer Teil der Resolutionen, die der Reichstag angenommen
hat —, die Armee hat es nicht zu scheuen, wenn Unvollkommenheiten zur
Sprache gebracht werden. Die Armee wird pflichtgemäß prüfen, ob Un-
vollkommenheiten vorliegen, und wo es nottut, wird die Armee pflicht-
gemäß Abhilfe schaffen. Aber Sie, meine Herren Sozialdemokraten, stellen
sich ja bei Ihrer Kritik gar nicht auf diesen Standpunkt. Ihnen ist es ja
gar nicht darum zu tun zu bessern. (Sehr richtig! rechts. — Stürmische
Zurufe und große Unruhe b. d. Sd.) — Warum erregen Sie sich so? Sie
haben uns ja täglich in dem Verlaufe der letzten Wochen gezeigt, daß
Ihnen unser stehendes Heer mit seinen Einrichtungen ein Greuel sei. Sie
erkennen in unserem stehenden Heere, in unserer Armee eine Macht, welche
Ihren Zwecken nicht freundlich gesinnt ist, gottlob nicht freundlich gesinnt
ist. Sie wollen durch Ihre zersetzende Kritik nicht bessern, sondern Sie
wollen zerstören. (Lebhafte Zustimmung. — Erneute große Unruhe und
Zurufe b. d. Sd.) Aber trotz der hochtönenden Worte, mit denen der Herr
Abg. Scheidemann geschlossen hat, er wolle nun ins Volk gehen und das
Volk werde ihm dafür danken, daß er als ein Gegner unserer Heeres-
einrichtungen aufgetreten wäre, daß er versucht habe — wenn auch ohne
Erfolg —, diese Wehrvorlage zu hintertreiben, trotz dieser hochtönenden
Worte werden Sie mit Ihren Bemühungen, das Vertrauen des Volkes
zum Heere zu erschüttern, keinen Erfolg haben. (Lebhafte Zustimmung bei
den bürgerlichen Parteien. — Lachen b. d. Sd.) In dem Volke und in
einer Unzahl von Leuten, die Ihnen bei den Wahlen die Stimmzettel
geben, lebt felsenfest das Bewußtsein, was Deutschland seiner Armee ver-
dankt. Das Volk weiß, daß wir kein einiges Deutschland hätten, wenn
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