614 Rukland. (April 9. 10.)
Dumapräsidenten Rodsjanko, der die heftigsten austrophoben Ausfälle der
Redner lebhaft beklatschte.
9. April. (Warschau.) Der österreichische Generalstabsoffizier
Walloch wurde wegen Spionage zu sechs Jahren Zwangsarbeit
verurteilt.
9. April. (Zarskoje Sselo.) Der Kaiser empfing im Alexander-
palais den dem Dalailama attachierten Hambo Dschordshiew.
Dschordshiew überreichte die Geschenke des Dalailamas für den
Kaiser, die Kaiserinnen Alexandra und Maria Feodorowna, sowie für den
Thronfolger.
10. April. Aus dem Communiqué der Regierung über die
Balkanfrage.
„Die Erhaltung des Statusquo bedang auch die Existenz des alba-
nischen Gebietes, woran sich selbstverständlich das Streben anschloß, die
Grenzen dieses Gebietes, welches die homogene Bevölkerung albanischer
Abstammung umfassen sollte, nach Möglichkeit auszudehnen. Im Verfolg
langer und hartnäckiger Verhandlungen und gegenseitiger Zugeständnisse,
durch welche Prisren, Ipek, Dschakowa und Dibra für die fslawischen Staaten
gewonnen wurden, glaubte Rußland die Annexion Skutaris an Albanien
zugestehen zu müssen. Dieses unser Zugeständnis an die Aufrechterhaltung
des Friedens, dessen Erschütterung aus diesem Anlaß hätte absurd erscheinen
müssen, ist bekannt. Daß Skutari eine rein albanische Stadt und der Sitz
eines katholischen Erzbischofs ist, wird durchaus bestätigt durch den Bericht
des russischen Vizekonsuls in Skutari, welcher auf Grund von Tatsachen
die hauptsächlich militärische Wichtigkeit Skutaris nachweist. Die Monte-
negriner sind schon unfähig, einige tausend katholischer und muselmannischer
Albaner, welche seit 35 Jahren in den Grenzen Montenegros wohnen, sich
zu assimilieren. Folglich würde die Annexion eines Teiles des Sandschaks
und diejenige Skutaris lediglich bewirken, Montenegro durch Einverleibung
einer geringen Anzahl von Montenegrinern und von Hunderttausenden
Menschen anderen Blutes, anderer Sprache und anderer Religion zu schwächen,
was Montenegro in die Gefahr bringen würde, ein montenegrinisch ge-
färbtes Albanien zu werden. Unser Gesandter in Cetinje glaubt, daß die
Vereinigung einer bedeutenden Anzahl römischer Katholiken mit Montenegro
diesen Gelegenheit hätte geben können, die Verbindungen mit dem Aus-
lande noch zu festigen, welche das Eindringen fremder Einflüsse erleichtert
hätten. König Nikolaus hat seine Verpflichtung, die er übernommen hat,
Rußland von dem Beginn des Krieges vorher zu benachrichtigen und seine
Zustimmung einzuholen, nicht erfüllt. Trotzdem lieh ihm der Kaiser groß-
mütig seine Hilfe, indem er der montenegrinischen Bevölkerung Hilfsmittel
und Beistand zusagte. Als die Frage von Skutari gelöst wurde, wurde
der König freundschaftlich davon in Kenntnis gesetzt, unter Hinweis auf
die schwere Verantwortung, die er auf sich nehme, wenn er weiterhin seinen
Widerstand fortsetze. Dann wurde ihm der Rat erteilt, sich den Beschuldi-
gungen, persönliche Gesichtspunkte zu verfolgen, indem er die Montenegriner
nutzlosen Massakres preisgebe, zu entziehen. Als diese Schritte bei dem
König Nikolaus erfolglos blieben, wurde klar, daß er mit der Einmischung
Rußlands und der Großmächte und einem europäischen Krieg rechnete.
Die russische Regierung konnte also nicht dagegen sein, daß Maßregeln er-
griffen wurden, die sich nach der Weigerung des Königs Nikolaus, sich dem
Beschluß der Mächte zu unterwerfen, als notwendig erwiesen haben. Die