Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Neunundzwanzigster Jahrgang. 1913. (54)

Rußland. (Juni 17.—August 29.) 617 
Rußland hat, wie die „Agence d'Athenes“ meldet, die vier Minister- 
präsidenten der verbündeten Balkanstaaten offiziell nach Petersburg ein- 
geladen. Der griechische Ministerpräsident sowie der serbische und monte- 
negrinische haben die Einladung angenommen. Einer Meldung des Wiener 
K. K. Telegr.-Korresp.-Bureaus aus Sofia zufolge verlautet dort an 
kompetenter Stelle, die Aufforderung des Ministers Ssasonow sei von 
Bulgarien in dem Sinne beantwortet worden, daß eine Begegnung erst 
nach vorheriger Abrüstung möglich wäre. 
17. Juni. Das gute Einvernehmen mit Deutschland und 
England. 
Allerhöchstes Reskript an den Minister des Auswärtigen Ssasonow: 
„Der Mir von seiten des Deutschen Kaisers und der Berliner Be- 
völkerung erwiesene herzliche Empfang sowie die freundschaftliche Begegnung 
mit dem englischen Könige waren für Mich um so erfreulicher, als Ich 
darin außer der Tradition der alten Freundschaft zugleich den Ausdruck 
einmütiger Gesinnung in den Hauptfragen der europäischen Politik im 
gegenwärtigen Augenblick erblicken konnte, was ein festes Unterpfand zur 
Sicherung des für das Glück aller Völker so notwendigen Friedensheiles 
ist.“ Weiter heißt es dann in dem Reskript: „Anerkennend, daß Sie in der 
Ihnen infolge der Balkanereignisse zugefallenen schweren Arbeit nicht nur 
in vollem Maße jede Meiner, Mir durch die Interessen des Mir teuren 
Rußland eingegebenen Anweisungen erfüllt, sondern auch verstanden haben, 
mit scharfem Geiste und mit Festigkeit bei Verfechtung Ihrer Anschau- 
ungen, sowie durch gewissenhafte Behandlung jeder Frage sich die Achtung 
und das Vertrauen aller Teilnehmer bei der internationalen Entscheidung 
der komplizierten schwierigen Fragen zu erwerben, halte Ich es für Meine 
Pflicht, Ihnen Meine aufrichtige Dankbarkeit auszudrücken. Ich verbleibe 
Ihr Ihnen unveränderlich wohlwollender und — vom Kaiser eigenhändig 
zugefügt — Sie achtender Nikolaus."“ 
W. Juni. Der Petersburger Korrespondent des „Temps“ 
meldet: Da die russische Regierung festgestellt hat, daß keiner der 
Balkanstaaten das Schiedsgericht ablehnt, hat sie ihnen bekannt 
gegeben, daß sie sich freuen würde, von ihnen in einer Frist von 
4 Tagen einleitende Denkschriften zu erhalten, welche eine erste 
Grundlage für die Vorbereitung des Schiedsspruchs bilden könnten. 
3. Juli. Der Reichsrat hat das Gesetz über die Anweisung 
von 58780000 Rubel für den Neubau von Kriegsschiffen, für ihre 
Ausrüstung und für die Anlegung von Staatswerften gemäß dem 
sogenannten kleinen Programm in der Fassung der Duma an- 
genommen. 
26. Juli. (Odessa.) Der Dampfer „Cherson“" der freiwilligen 
Flotte ist mit den 616 aufrührerischen Athosmönchen, die sich der 
Irrlehre des Mönches Bulatowitsch angeschlossen hatten, eingelaufen. 
29. August. Der Kaiser hat aus Anlaß der Einweihung des 
Friedenspalastes an die Königin der Niederlande folgendes Tele- 
gramm gerichtet:
	        
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