56 Das Veutsche Reich und seine rinzelnen Glieder. (Februar 7.)
wiederholt gesprochen. Ich habe die Bedenken dargelegt, die ich gegen eine
reichsgesetzliche Regelung dieser Materie habe. Sie beruhen im wesentlichen
darauf, daß eine derartige reichsgesetzliche Regelung in Materien eingreift,
die bisher der Gesetzgebung der Bundesstaaten überlassen waren und ihr
eigentlich verständigerweise überlassen bleiben müßten. Dahin gehört das
Straßenrecht, das Fluchtlinienrecht, wie man es in Preußen nennt. Eine
derartige reichsgesetzliche Regelung würde Eingriffe bedeuten in das Selbst-
verwaltungsrecht der Städte, wie es in den verschiedenen Bundesstaaten
auf verschiedenen Grundlagen aufsgebaut ist. Es würde eine für die Städte
höchst unerwünschte Erweiterung polizeilicher Befugnisse bringen. Das sind
Dinge, die ein Bundesstaat eventuell im Rahmen seiner Gesetzgebung an-
ordnen und mit seinen gesetzgebenden Körperschaften vereinbaren kann, die
aber in der starren Form des Reichsgesetzes außerordentliche Unbequemlich-
keiten und Lasten bringen würden. Sie werden sich erinnern, daß ich aus
diesem Grunde wiederholt gesagt habe: ich hoffe bestimmt, daß die Bundes-
staaten ihrerseits diese Frage in die Hand nehmen, da sie dann zweck-
entsprechender geregelt wird als von uns aus. Diese Hoffnung hat sich
nun bisher nicht erfüllt, und ich gebe zu, daß auf dem Gebiete des Woh-
nungswesens so viele Mißstände bestehen, daß auf die Dauer ein völliges
Gehenlassen unmöglich ist. Wenn die Bundesstaaten weiterhin versagen,
dann werden wir allerdings wohl an die Lösung dieser Frage herantreten
müssen, was nach meiner Ansicht zweckentsprechenderweise so zu geschehen
hätte.“ Und es wird nun eventuell die Einberufung einer Kommission in
Aussicht gestellt. Ich habe damals meinen Standpunkt genau so präzisiert
wie später in der Budgetkommission. Ich habe damals, mit etwas anderen
Worten, wie in der Budgetkommission in diesem Jahre, erklärt, daß, wenn
die Bundesstaaten sich nicht entschließen könnten, auf diesem Gebiete etwas
zu tun, notwendigerweise versucht werden müßte, vom Reich aus dieser
Frage näherzutreten. Kein Mensch innerhalb und außerhalb dieses Hauses
hat an dieser Erklärung Anstoß genommen. Niemand hat sie für etwas
anderes gehalten als für das Bekenntnis zur absoluten Dringlichkeit einer
gesetzgeberischen Regelung des Wohnungswesens und für eine Versicherung
meinerseits, was an mir läge zu tun, um diese Regelung in einer meiner
Auffassung entsprechenden Weise in Gang zu bringen. Nun ist interessant,
festzustellen, was der Reichstag dann seinerseits nach diesen Erörterungen
getan hat. Der Reichstag hat nicht, wie er das sonst zu tun beliebt, die
auf das Wohnungswesen bezüglichen Resolutionen in die Massenabstimmung,
die sich an die Beratung meines Etats anzuschließen pflegen, einbezogen,
sondern er hat sie einstimmig einer besonderen Kommission von 21 Mit-
gliedern überwiesen. Diese Kommission hat ihre Arbeiten ausgenommen,
und zwar in Gegenwart von Kommissaren nicht nur der Reichsleitung,
sondern auch von Vertretern von Bundesstaaten und das Ergebnis der
Verhandlungen in dieser Kommission ist die einstimmige Annahme einer
Resolution gewesen, in der eine reichsgesetzliche Regelung aller der Fragen
verlangt wird. In dieser Resolution ist ferner die Forderung ausgesprochen,
daß darüber hinaus noch die Reichsleitung ihren Einfluß auf die Bundes-
staaten geltend machen sollte, daß sie eine ganze Reihe von Fragen er-
ledigen und fördern sollte, die ganz unbestritten nicht zur Kompetenz des
Reichs gehören. Also die Kommission, in der Mitglieder der Rechten fleißig
mitgearbeitet haben, ist damals zum Ergebnis gekommen, daß man über
den Staatssekretär des Junern hinweg sofort eine reichsgesetzliche Regelung
sordern und gar nicht die Verhandlungen abwarten sollte, die ich noch mit
den Bundesstaaten in Aussicht gestellt habe. Diese sehr sorgfältig durch-
gearbeitete Resolution ist dann im Plenum zur Verhandlung gekommen