Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das DVentsqhe Reich und seine einzelnen Glieder. (August 3.) 379 
Tatisheff mit Instruktion. Die jetzt in Kraft tretenden militärischen Maß- 
nahmen sind schon vor fünf Tagen beschlossen worden, und zwar aus 
Gründen der Verteidigung gegen die Vorbereitungen Oesterreichs. Ich hoffe 
von ganzem Herzen, daß diese Maßnahmen in keiner Weise Deine Stellung 
als Vermittler beeinflussen werden, die Ich sehr hoch anschlage. Wir 
brauchen Deinen starken Druck auf Oesterreich, damit es zu einer Ver- 
ständigung mit uns kommt. · Nikolaus.“ 
Dringendes Telegramm des Reichskanzlers an den 
deutschen Botschafter in Petersburg (31. Juli): „Trotz noch schwe- 
bender Vermittlungsverhandlungen und obwohl wir selbst bis zur Stunde 
keinerlei Mobilmachungsmaßnahmen getroffen haben, hat Rußland seine ganze 
Armee und Flotte, also auch gegen uns, mobilisiert. Durch diese russischen 
Maßnahmen sind wir gezwungen worden, zur Sicherung des Reichs die 
drohende Kriegsgefahr auszusprechen, die noch nicht Mobilisierung bedeutet. 
Die Mobilisierung muß aber folgen, falls nicht Rußland binnen zwölf 
Stunden jede Kriegsmaßnahme gegen uns und Oesterreich-Ungarn einstellt 
und uns hierüber bestimmte Erklärung abgibt. Bitte dies sofort Herrn 
Ssasonow mitteilen und Stunde der Mitteilung drahten.“ 
Desgl. an den deutschen Botschafter in Paris (31. Juli): 
„Rußland hat trotz unserer noch schwebenden Vermittlungsaktion und obwohl 
wir selbst keinerlei Mobilmachungsmaßnahmen getroffen haben, Mobil- 
machung seiner gesamten Armee und Flotte, also auch gegen uns, verfügt. 
Wir haben darauf drohenden Kriegszustand erklärt, dem Mobilmachung 
folgen muß, falls nicht Rußland binnen zwölf Stunden alle Kriegsmaß- 
nahmen gegen uns und Oesterreich einstelle. Die Mobilmachung bedeutet 
unvermeidlich Krieg. Bitte französische Regierung fragen, ob sie in einem 
russisch-deutschen Kriege neutral bleiben will. Antwort muß binnen 
18 Stunden erfolgen. Sofort Stunde der gestellten Anfrage drahten. 
Größte Eile geboten." 
Desgl. an den deutschen Botschafter in Petersburg (1. August 
1253 nachm.): „Falls die russische Regierung keine befriedigende Antwort 
auf unsere Forderung erteilt, so wollen Eure Exzellenz ihr heute nach- 
mittag 5 Uhr (mitteleurop. Zeit) folgende Erklärung überreichen: (Folgt der 
französische Wortlaut, der in Uebersetzung lautet): „Die Raiserliche Regierung 
hat sich seit Beginn der Krise nach Kräften bemüht, sie zu einer friedlichen 
Lösung zu führen. In Erfüllung eines Wunsches Seiner Majestät des Kaisers 
von Rußland hatte Seine Majestät der Deutsche Kaiser im Einverständnis 
mit England die Rolle eines Vermittlers bei den Kabinetten von Wien 
und St. Pctersburg übernommen, als Rußland, ohne das Ergebnis ab- 
zuwarten, zur Mobilmachung aller seiner Land= und Seestreitkräfte schritt. 
Infolge dieser drohenden Maßnahme, die durch keine militärische Vor- 
bereitung von deutscher Seite begründet war, sah sich Deutschland einer 
schweren und unmittelbar bevorstehenden Gefahr gegenüber. Hätte es die 
Kaiserliche Regierung unterlassen, dieser Gefahr zu begegnen, so würde sie 
die Sicherheit und sogar den Bestand Deutschlands gefährdet haben. Infolge- 
dessen sah sich die Kaiserliche Regierung gezwungen, sich an die Regierung 
Seiner Majestät des Kaisers aller Russen zu wenden und die Einstellung 
der besagten militärischen Maßnahmen zu fordern. Da Rußland sich 
geweigert hat, dieser Forderung Folge zu leisten, und durch diese Weigerung 
bekundet hat, daß sein Vorgehen gegen Deutschland gerichtet war, so habe 
ich die Ehre, auf Befehl meiner Regierung Euere Exzellenz wissen zu lassen, 
was folgt: Seine Majestät der Kaiser, mein erhabener Gebieter, nimmt 
die Herausforderung an und betrachtet sich als im Kriegszustande mit 
Rußland. Bitte Eingang und Zeitpunkt der Ausführung dieser Instruktion
	        
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