Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Dreißigster Jahrgang. 1914. Erste Hälfte. (55a)

Das Derisihe Reich und seine einzelnen Glieder. (August 6. 7.) 389 
Der Aufruf der Kaiserin lautet: 
Dem Rufe seines Kaisers folgend, rüstet sich unser Volk zu einem 
Kampfe ohnegleichen, den es nicht heraufbeschworen hat und den es nur 
zu seiner Verteidigung führt. Wer Waffen zu tragen vermag, wird freudig 
zu den Fahnen eilen, um mit seinem Blute einzustehen für das Vaterland. 
Der Kampf aber wird ein ungeheuerer und die Wunden unzählige sein, 
die zu schließen sein werden. Darum rufe ich euch deutsche Frauen und 
Jungfrauen und alle, denen es nicht vergönnt ist, für die geliebte Heimat 
zu kämpfen, zur Hilfe auf. Es trage jeder nach seinen Kräften dazu bei, 
unseren Gatten, Söhnen und Brüdern den Kampf leicht zu machen. Ich 
weiß, daß in allen Kreisen unseres Volkes ausnahmslos der Wille besteht, 
diese hohe Pflicht zu erfüllen. Gott der Herr aber stärke uns bei dem 
heiligen Liebeswerk, das auch unsere Frauen rüsten, unsere ganze Kraft dem 
Vaterlande in seinem Entscheidungskampfe zu weihen. Wegen der Sammlung 
freiwilliger Hilfskräfte und Gaben aller Art sind weitere Bekanntmachungen 
von denjenigen Organisationen bereits ergangen, denen diese Aufgaben in 
erster Linie obliegen und deren Unterstützung vor allem von Nöten ist. 
Berlin, den 6. August 1914. Auguste Viktoria. 
6. August. Serbien erklärt an Deutschland den Krieg. 
6. August. (Bundesrat.) Es wird beschlossen, kein all- 
gemeines Moratorium zu erlassen. 
Dagegen wird verordnet: Erstens soll das Gericht dem Schuldner 
einer vor dem 31. Juli entstandenen Forderung eine Zahlungsfrist von 
längstens drei Monaten, nötigenfalls unter Auflage einer Sicherheit, be- 
willigen können, soweit dies möglich und mit Rücksicht auf den Gläubiger 
vereinbar ist. Der Antrag soll nicht nur im Proteste oder während der 
Zwangsvollstreckung, sondern schon vorher zulässig sein. Die Gerichtskosten 
werden möglichst gering bemessen. Zweitens soll mindestens mit Rücksicht 
auf auswärtige Moratorien einstweilen verhindert werden, daß Forderungen, 
auch wechselmäßige, aus dem Auslande, die vor dem 31. Juli entstanden 
sind, im Inlande gerichtlich geltend gemacht werden. Des weiteren werden 
die Fristen für die Vornahme von Handlungen, deren es zur Ausübung 
oder zur Erhaltung des Wechselrechts und des Regreßrechts aus dem Scheck 
bedarf, bis auf weiteres, soweil sie nicht am 31. Juli 1914 abgelaufen 
waren, um 30 Tage verlängert. 
7. August. Offiziöse Verlautbarung über den Vollzug der 
Mobilmachung. 
Im Jahre 1870 erging der Mobilmachungsbefehl am 15. Juli. 
Erst nach drei Wochen kam es zum ersten größeren Gefecht. So wird auch 
jetzt, trotz des ausgedehnten Bahnnetzes, die Versammlung der Massenheere 
zum entscheidenden Schlage noch einige Zeit dauern. Die Oeffentlichkeit 
muß sich darüber klar sein, daß die Rücksicht auf die bevorstehenden Ope- 
rationen der obersten Heeresleitung noch unbedingte Zurückhaltung mit den 
zu veröffentlichenden Nachrichten auferlegt. Der heute beginnende sechste Mo- 
dilmachungstag läßt aber bereits eine Mitteilung über den bisherigen Ver- 
lauf der Mobilmachung zu. Wie wir von maßgebender Stelle hören, ist 
an den großen Generalstab noch keine einzige Rückfrage gestellt. Die Mo- 
bilmachung und die Eisenbahntransportbewegungen verlaufen danach in 
größter Ordnung nach dem im Frieden aufsgestellten Plan. Auch im ver- 
bündeten Oesterreich-Ungarn geht die Mobilmachung glatt von statten. Die 
zwischen dem Generalstabschef der österreichischen und der deutschen Armee
	        
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