II.
Die österreichisch-ungarische Monarchie.
1. Januar. (Ungarn.) Ansprache des Ministerpräsidenten
Grafen Tisza anläßlich der Neujahrsgratulation der Regierungs-
partei.
Graf Tisza sagte, wenn er in seinem Leven nichts anderes getan
hätte, als daß er das wüste Treiben der Obstruktion niedergebrochen und
diese für alle künftigen Zeiten durch die Regeln der neuen Hausordnung
unmöglich gemacht habe, so glaube er, nicht umsonst gelebt zu haben. Der
Ministerpräsident drückte die Hoffnung aus, daß die Ovpposition, die an-
fänglich gestreikt habe, seither jedoch bei gewissen wichtigen Anlässen im
Hause erschienen sei, in nicht allzu ferner Zeit an den Beratungen des
Hauses in normaler Weise teilnehmen werde. Er erklärte sich bereit, alles
aufzubieten, damit ihr die Rückkehr zur normalen Tätigkeit erleichtert werde.
In einem Rückblick auf die abgelaufene Reichstagsperiode hob er die Ge-
setze zur Stärkung der Armee hervor, welche mit der, wie er hoffe, baldigen
Annahme einer neuerlichen Erhöhung des Rekrutenkontingents nunmehr
zum Abschlut gelangen werde. Nach den bedeutenden Opfern, die Oester-
reich Ungarn für seine Armee gebracht habe, werde sie unter allen in Be-
tracht kommenden Armeen eine Stellung einnehmen, die das Gefühl der
Sicherheit und die Aktionsfahigkeit der österreichisch-ungarischen Diplomatie
erhöhe und ihr einen verstärkten Rückhall gebe. Gleichzeitig würden dadurch
die Aussichten des europäischen Friedens gebessert, denn nichts sei so sehr
als eine Bedrohung des Friedens anzusehen, wie wenn in der öffentlichen
Meinung Europas der Glaube an die militärische Stärke der Monarchie
erschüttert werde.
Graf Andrussy, der Führer der oppositionellen Verfanfungepartei,
forderte in einer Ansprache an seine Parteifreunde aus gleicher Veranlas-=
sung Neuwahlen für das Abgeordnetenhaus als Folge des Wahlreform-
gesetzes der Regierung.
5. Jannar. (Ungarn.] Tagung der Mitteleuropäischen Wirt-
schaftekonferenz in Budapest. Oierzu ist auch eine Anzahl von Ver-
tretern aus Deutschland erschienen.
Die Konferenz wurde durch den Präsidenten Dr. Wekerle eroffnel.
Nach Begrüßung der Anwesenden durch den Präsidenten würdigte Herzog
Ernst Günther zu Schleswig Holstein, der Präsident des deutschen Vereins,
in längerer Rede die Bedemung der Konferenz, und wies insbesondete
darauf hin, daß Deutschland und Oesterreich-Ungarn, die durch ein Bündme
eng verknüpft seien, auch wirtschaftlich aufeinander angewiesen wären. Er
sei gern nach Ungarn gekommen, zu dem er sich nicht nur durch verwandt
schaftliche Bande, sondern auch durch viele angenehme Erinnerungen bin
ge zogen fühle. Er danke auch seinerseits dem Erzherzog Joseph für dir
Uebernahme des Protektorats.