Contents: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Zwölfter Jahrgang. 1896. (37)

164 Bie Gesterreichisch-Angerische Monarchie. (Juni 13.) 
und könne keiner Vorkehrung zustimmen, welche den Bestimmungen des 
Pariser Vertrags zuwiderlaufe. Wir haben uns dieser Auffassung ange- 
schlossen und nehmen von dieser Erklärung mit Befriedigung Kenntnis als 
von einer neuen Bürgschaft für die Fortentwicklung friedlicher Zustände. 
So lange die russische Regierung auf dem eingeschlagenen Wege verharrt, 
kann sie auf unsere unbedingte loyale Unterstützung zählen, denn Oester- 
reich-Ungarn strebt nichts anderes an, als die Konsolidierung der Zustände 
im Orient, die Erhaltung der Türkei, die Unabhängigkeit, die Erstarkung 
und die freie Entwicklung der einzelnen Balkanstaaten, freundschaftliche Be- 
ziehungen zu denselben und endlich den Ausschluß des prädominierenden 
Einflusses irgend einer Großmacht zum Nachteile der übrigen. 
Der Minister warnt vor einer Weise des Vorgehens, welche die 
öffentliche Meinung in Serbien irreführen könnte und nur schließlich ge- 
eignet wäre, unser aufrichtiges Wohlwollen für die Serben sehr zu ver- 
mindern. Bezüglich Bulgariens bemerkte der Minister, dasselbe habe nor- 
male Bahnen betreten, die inneren Verhältnisse lassen jedoch manches zu 
wünschen übrig. Wir sind indessen überzeugt, daß das Fürstentum die 
Sympathien Oesterreich-Ungarns rechtfertigen wird. Bulgarien wird ver- 
stehen, seine Selbständigkeit zu wahren, die Ordnung zu erhalten und jede 
Aktion zu vermeiden, welche mit dem festen Entschlusse Europas, keine Kon- 
flagration im Balkan zu dulden, im Widerspruch stände. Der Minister 
erklärte sodann: „Mit Frankreich fahren wir fort, auf freundschaftlichstem 
Fuße zu stehen, was schon daraus erklärlich ist, daß in allen Fragen, die 
uns näher angehen, unsere spezifisch österreichisch-ungarischen Interessen 
mit den spezifisch französischen Interessen nirgends kollidierten. Außerdem 
zeigt sich Frankreich so aufrichtig und loyal für den Frieden eingenommen, 
daß wir auch auf ein Zusammengehen in der Förderung einer friedlichen 
Lösung der europäischen Fragen stets zählen können. Mit England ver- 
bindet uns eine traditionelle Sympathie und beiderseits ist das Bestreben 
vorhanden, dieselbe in den fortlaufenden Beziehungen zum Ausdruck zu 
bringen.“ Schließlich besprach der Minister die Frage der Dongola-Expe- 
dition und erklärte, Oesterreich-Ungarn hatte die Angelegenheit nur von 
finanzieller Seite zu prüfen, er habe daher in Uebereinstimmung mit dem 
deutschen und italienischen Kabinet auf das englische Ansinnen eine be- 
jahende Antwort erteilt. (Lebhafter Beifall.) 
13. Juni. (Pest.) Österreichische Delegation. Baron Kallay 
über Bosnien. Bevölkerung Bosniens. 
Im Budgetausschuß begründet der Reichsfinanzminister v. Kallay 
die Forderung des Okkupationskredits. Die Frage des Okkupation kredits 
sei nicht nur vom rein finanziellen Standpunkt aufzufassen. Durch die 
Okkupation sei Oesterreich-Ungarn ein Balkanstaat geworden. Die ganze 
Geschichte Habsburgs deute darauf hin, daß Oesterreich-Ungarn einen Stütz- 
punkt im Balkan suchte, sowohl um die beiden Ufer der Grenzflüsse Save 
und Donau beherrschen zu können, als auch um sich in dem ganzen Völker— 
gebiete des Balkans zur Geltung zu bringen. Darum habe Oesterreich- 
Ungarn Bosnien und die Herzegowina okkupiert und die nordwestliche 
Balkanecke sich gesichert, von wo es die politischen Interessen des Balkans 
zu den seinigen machen könne. Darum wolle und dürfe Oesterreich-Ungarn 
auch nicht ein Mehr an Besitz in jenen Gegenden anstreben. In der Okku- 
pation läge ein Lebensinteresse der Monarchie. Daher sei es notwendig, 
daß jeder Nachbar dort sich gegenwärtig halte, daß die Stellung Oester- 
reich-Ungarns in Bosnien eine solche sei, welche ohne Gefahr nicht berührt 
werden könnte. Die Anziehungskraft der Nachbarländer auf Bosnien sei
	        
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