98 Nie ästerreichisch-ungarische Menarchie und die Nachfolze#aa#Okt. 31. Nov. 1.)
Am 4. meldet das „Ungar. Tel.-Korr.-Bür.“: Das Exekutivkomitee
des Ung. Nationalrates, die Leitung der soz. Partei, die Leitung des Sol-
datenrates und die Regierung haben sich dahin geeinigt, daß die Volks-
regierung im vollsten Vertrauen auf das ganze Volk die gesamte Macht
ausübt. Sowohl der Nationalrat als auch der innerhalb der soz. Partei ge-
bildete Arbeiter- und Soldatenrat würden jede Bestrebung, welche die Exe-
kutivgewalt aus den Händen der unter der Kontrolle des gesamten Volkes
stehenden Volksregierung nehmen wollte, als eine Gefährdung der neuen
Freiheit betrachten. Niemand besitzt daher ein Verfügungsrecht, ausgenommen
die Regierung, niemand kann Ernennungen oder Betrauungen zur Aus-
übung der öffentlichen Gewalt erteilen weder in Budapest noch in der
Provinz als die Volksregierung und ihre Beauftragten, niemand ist be-
rechtigt, Waren zu requirieren als die Volksregierung. Der Nationalrat,
der Arbeiter- und der Soldatenrat sind Kontrollorgane der Regierung,
aber nicht mit Verfügungsrecht ausgestattete Regierungsbehörden.
31. Okt. Übergabe der Flotte an den Südflaw. Nationalrat.
Das k. k. Kriegsministerium, Marinesektion, verfügt auf kaiserl. Befehl,
daß der Mannschaft, welche nicht südslaw. Nationalität angehört, aufs Ver-
langen die Heimkehr gestattet werden kann. Die Flotte, Marineanstalten
und sonstiges Marineeigentum sind dem Südslaw. Nationalrate in Agram
— in Pola im Wege des lokalen Ausschusses — sutzessive zu übergeben.
An das Donauflottillenkommando ergeht der Auftrag, bei Uebergabe der
Donauflottille an die kgl. ung. Regierung in gleichem Sinne vorzugehen
und dementsprechend nichtungarische Mannschaft zu entlassen.
Am 27. brach in Pola eine schwere Menterei unter den Matrosen
aus. Die Südslawen gewinnen die Oberhand. Fregattenkapitän Koch, ein
Slowene, wird zum Flottenkommandanten gewählt. Die Deutschen und
Magyaren werden in ihre Heimat entlassen. Nach der Uebernahme der
Kriegsmarine seitens des Südflaw. Nationalrates versucht dieser, die amerik.
Flotte zur Besetzung der Stadt zu veranlassen.
31. Okt. (Triest.) Bildung eines Wohlfahrtsausschusses.
Aus Vertretern der italienischlib., der slowenischnat. und der soz. Partei
bildet sich ein Wohlfahrtsausschuß, der die Verwaltung und die Wahrung
der öffentlichen Ruhe in Triest und Umgebung übernimmt. Der bish. Statt-
halter verläßt die Stadt. Die kaiserlichen Wappenschilder werden entfernt.
Der Wohlfahrtsausschuß erläßt einen Ausruf, worin mitgeteilt wird, daß
es gelungen sei, sich mit der Ententeflotte in Verbindung zu setzen, und
daß die begründete Hoffnung bestehe, daß Triest bald von den Mannschaften
der Ententeschiffe besetzt werden wird, die der Stadt Sicherheit und Wohl-
fahrt bringen werden. Bis dahin möge die Bevölkerung Disziplin bewahren
und sich von Kundgebungen enthalten, die die gerechte Empfindlichkeit der
Nationalitäten und Parteien verletzen könnten, die sich im Wohlfahrts-
ausschuß zusammengefunden haben, um für die öffentliche Ordnung und die
Verpflegung zu sorgen. — Am 3. Nov. landen ital. Land- und Marinetruppen.
1. Nov. (Galizien.) Übergang der Regierungsgewalt an die
Polen und die Ukrainer.
In Westgalizien geht die Regierungsgewalt an einen poln. Liqui-
dationsausschuß (Sitz Krakau) über. Die österr. Truppen kapitulieren
kampflos. Lemberg wird dagegen von ukr. Truppen besetzt. Das „WTB.“
meldet darüber (am 2.): Um 4 Uhr morgens besetzte gestern bewaffnete
Mannschaft ukr. Nationalität alle Amts- und öffentlichen Gebäude. In