Die üsterreichisch-ungarische Monarchie und die Nachfolgestaaten. (Nov. 2.—7.) 99
der Stadt nahmen ukr. Wachen den Heeresangehörigen anderer Nationa-
lität die Waffen ab. Statthalter Graf Huyn wurde interniert. Mittels
Maueranschlags teilte der Ukr. Nationalrat mit, daß er die Verwaltung in
Ostgalizien übernommen habe. Zwischen ukr. Truppen und poln. Legionären
kam es zu Zusammenstößen. (S. auch Polen.)
2. Nov. Der Minister des Außern Graf Andrassy tritt zurück.
Die Leitung des Ministeriums übernimmt vorläufig der Erste Sektions-
chef Frhr. v. Flotow.
3. Nov. Kaiser Karl übergibt das Armeeoberkommando an Feld-
marschall Frhrn. v. Kövess.
Da dieser in Montenegro weilt, übernimmt der Generalstabschef Baron
Arz . Straußenburg seine Vertretung.
Durch die Kommandoabgabe will es Kaiser Karl vermeiden, seine
Zustimmung zu den in ihrer Rückwirkung auch Deutschland schwer bedrohen-
den Waffenstillstandsbedingungen geben zu müssen.
3. Nov. Unterzeichnung des Waffenstillstandes in Padua.
Näheres s. in dem besonderen Abschnitt am Schluß des Kalendariums.
Nach Eintreffen der Waffenstillstandsbedingungen in Wien (am 2.)
hat Kaiser Karl den Versuch gemacht, die Zustimmung des Staatsrates
Deutschösterreichs zum Abschluß des Waffenstillstandsvertrages zu erlangen;
dieser lehnte es aber ab, zu den Bedingungen Stellung zu nehmen, da er
den Krieg nicht begonnen und daher mit ihm nichts zu tun habe, und
verstand sich lediglich dazu, die Bedingungen zur Kenntnis zu nehmen.
(S. v. Cramon a. a. O. ls. S. 40] S. 196 f.)
Am gleichen Tage verlautbart das Präsidium des Deutschösterr. Staats-
rates folgende Mitteilung: Der Staatsrat hat in seiner heutigen Sitzung
folgenden Beschluß gefaßt: Der Staatsrat hat die Mitteilung des Armee-
oberkommandos entgegengenommen, daß sich das Armeeoberkommando in-
folge der vollständigen Auflösung der Armee gezwungen gesehen hat, den
Bedingungen des Siegers sich zu unterwerfen. Deurtschösterreich hat keine
eigene Armee. Seine Truppenkörper sind Verbänden zugeteilt, deren flawisch--
magyarische Mehrheit nicht mehr kämpfen will. Daher ist Deutschösterreich
nicht imstande, den Kampf allein fortzusetzen. Aber wenn auch Deutsch-
österreich den Kampf an der Seite des Deutschen Reiches nicht allein fort-
setzen kann, steht es doch nach wie vor in treuer Freundschaft zum Deutschen
Reiche und will die Friedensverhandlungen in engstem Einvernehmen mit
dem Deutschen Reiche führen. Es hält an der Hoffnung fest, daß aus dem
Zusammenbruch Oesterreich-Ungarns eine staatliche Ordnung hervorgehen
wird, welche eine lange und dauernde Gemeinschaft mit dem Deutschen Reiche
begründen wird. Der Staatsrat erklärt schließlich, daß er die deutschen
Gebiete Südtirols, deren Besetzung durch Italien er nicht verhindern kann,
als einen unabtrennbaren Bestandteil des deutschösterr. Staates betrachtet
und daß die vorübergehende Okkupation dieser Gebiete das Selbstbestim-
mungsrecht der Deutschen Südtirols nicht aufheben kann.
3.— 7. Nov. (Deutschösterreich.) Konstituierung von Landes-
versammlungen.
In Salzburg konstituiert sich am 3. die Salzburger Landesversamm-
lung, bestehend aus 38 Mitgliedern, und zwar 19 Chr.= soz., 10 Deutsch-
freiheitlichen und 9 Soz. Sie wählt sofort einen 14gliedrigen Landesrat,
der sowohl die Geschäfte der autonomen wie der landesfürstlichen Behörden
übernimmt. Am 6. genehmigt der Verfassungsausschuß der Landes-
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