8 Bie ästerreihhisch-nugarische Monarthie und die Nachsolze kasten. (Jan. 21.—25.)
Das ist natürlich nicht der Fall. Aber ich nehme keinen Anstand, zu er-
klären, daß ich in den letzten Vorschlägen des Präsidenten Wilson eine be-
deutende Annäherung an den österreichisch-ungarischen Standpunkt finde und
daß sich unter seinen Vorschlägen einzelne befinden, welchen wir sogar mit
großer Freude zustimmen könnten. Wenn es mir nunmehr gestattet ist, auf
diese Vorschläge des genaueren einzugehen, so muß ich zwei Dinge voraus-
schicken: Soweit sich die Vorschläge auf unsere Verbündeten beziehen — es
ist von dem deutschen Besitz von Belgien und von dem türkischen Reiche
darin die Rede — erkläre ich, daß ich, getreu den übernommenen Bundes-
pflichten, für die Verteidigung der Bundesgenossen bis zum äußersten zu
gehen fest entschlossen bin. Den vorkriegerischen Besitzstand unserer Bundes-
genossen werden wir verteidigen wie den eigenen. Das ist der Standpunkt
innerhalb der vier Alliierten bei vollständiger Reziprozität. Zweitens habe
ich zu bemerken, daß ich die Ratschläge, wie wir bei uns im Innern zu
regieren haben, höflich, aber entschieden ablehne. Wir haben in Oesterreich
ein Parlament des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechtes.
Es gibt kein demokratischeres Parlament auf der Welt, und dieses Parla-
ment zusammen mit den übrigen verfassungsmäßig berechtigten Faktoren
allein hat das Recht, über interne Angelegenheiten Oesterreichs zu ent-
scheiden. Ich spreche nur von Oesterreich, weil ich in der österreichischen
Delegation nicht über interne Angelegenheiten des ungarischen Staates
spreche. Ich würde das nicht für verfassungsmäßig halten. Wir mischen
uns auch nicht in amerikanische Dinge, aber wir wünschen ebensowenig eine
ausländische Vormundschaft irgendeines anderen Staates. Dies voraus-
geschickt, erlaube ich mir, auf die übrigen Punkte folgendes zu erwidern.
Zu dem Punkte, welcher von der Abschaffung der „Geheimdiplomatie“
und vollkommenen Offenheit der Verhandlungen spricht, habe ich nichts zu
bemerken. Ich habe, soweit von öffentlicher Verhandlung die Rede ist, von
meinem Standpunkt aus gegen eine solche Methode, soweit sie auf voller
Reziprozität beruht, nichts einzuwenden, wenn ich auch lebhaften Zweifel
hege, ob sie unter allen Umständen der praktischste und schnellste Weg ist,
zu einem Ergebnisse zu gelangen. Diplomatische Verträge sind nichts anderes
als Geschäfte. Nun kann ich mir leicht Fälle denken, wo beispielsweise
zwischen Staaten handelspolitische Abmachungen zu treffen wären, ohne
daß es wünschenswert wäre, das noch unfertige Ergebnis der ganzen Welt
im vorhinein mitzuteilen. Bei solchen Verhandlungen beginnen naturgemäß
beide Teile damit, daß sie ihre Wünsche möglichst hoch schrauben, um nach
und nach den einen und den anderen Wunsch als Kompensation zu ver-
werten, bis endlich jenes Gleichgewicht der gegenseitigen Interessen vor-
handen ist, welches erreicht werden muß, damit der Abschluß eines Vertrages
möglich sei. Sollten solche Verhandlungen vor der großen Oeffentlichkeit
geführt werden, so läßt es sich nicht vermeiden, daß die Oeffentlichkeit für
jeden einzelnen dieser Wünsche leidenschaftlich Stellung nimmt, worauf dann
jeder Verzicht auf einen solchen Wunsch, selbst wenn er nur aus taktischen
Gründen geäußert wurde, als eine Niederlage betrachtet würde. Wenn sich
die Oeffentlichkeit für einen solchen Wunsch besonders stark exponiert, kann
dadurch das Zustandekommen eines Vertrages unmöglich werden, oder der
Vertrag wird, wenn er doch zustandekommt, als eine Niederlage empfunden
werden, vielleicht auf beiden Seiten. Dadurch würde aber das friedliche
Beisammenleben nicht gefördert, sondern im Gegenteil eine Vermehrung
der Reibungen zwischen den Staaten bewirkt werden. Was aber für Handels-
verträge gilt, gilt auch für politische Abmachungen, die ja politische Ge-
schäfte behandeln. Wenn mit Abschaffung der Geheimdiplomatie gemeint
ist, daß es keine Geheimverträge geben sollte, daß Verträge ohne Wissen