Vie ästerreichischungarische Monarchie und die Nachfolzestasten. (Dez. 4.) 117
man sich in Italien und ob man sich überhaupt im Auslande darüber klar
ist, was die deutschen Teile Südtirols für uns bedeuten. Für die Italiener
mag es sich dabei um eine günstige strategische Grenze handeln, aber für
alle Deutschen gibt es vielleicht nirgendwo einen Fleck deutscher Erde, der
jedem Deutschen so teuer ist, wie gerade dieses deutsche Südtirol.
Staatskanzler Dr. Renner gibt Rechenschaft über die bisherigen Lei-
stungen der deutschösterreichischen Regierung im Innern, wobei er feststellt,
daß jeder billigdenkende Mensch gestehen müsse, daß seit Entstehung der
deutschösterr. Republik ein Werk geschaffen wurde, das vor der Geschichte
nund vor dem Volke bestehen könne.
Nach Abschluß der Debatte werden (am 5.) die Entschließungen an-
genommen. Die erste lautet: Die Prov. Nationalversammlung nimmt die
Berichte der Staatssekretäre zur Kenntnis und anerkennt den durch die un-
ermüdliche Arbeit des Staatsrates erreichten geregelten und gesicherten
Gang der staatlichen Umbildung. Die zweite lautet: Die Prov. National-
versammlung beharrt unverbrüchlich auf dem nationalen Selbstbestimmungs-
recht aller zum geschlossenen Siedlungsgebiete gehörigen deutschen Länder
und Gauoe, die sich durch freien Entschluß zu Deutschösterreich bekannt haben,
und protestiert mit aller Entschiedenheit gegen die bewaffneten Einbrüche
in unsere deutschen Städte und Gemeinden, gegen die Vertreibung und Ver-
schleppung ihrer Beamten und Vertrauensmänner sowie gegen die heraus-
fordernden Versuche, Deutsche durch gewaltsame Bedrohungen und militä-
rischen Zwang in Staatsgemeinschaften, die selbst nach dem Abschlusse des
Waffenstillstandes in der Welt hierzulande den Krieg gegen die deutschen
Siedlungen fortführen, hineinzunötigen und so durch die Gewalt des Schwertes
und des Hungers wider unser gutes nationales Recht vollendete Tatsachen
zu setzen. Zugleich spricht die Nationalversammlung den um ihre nationale
Existenz ringenden Deutschen im Norden und Süden von Deutschösterreich
für ihre opferbereite Volkstreue Dank und Anerkennung aus und bittet sie,
in dem aufgezwungenen Kampf ebenso mutig und besonnen auszuharren,
bis ein gerechter Weltkongreß als der Schiedsrichter aller Völker auch uns
Deutschen das Recht auf nationale Freiheit und Einheit verbürgt. Die
dritte beauftragt den Staatsrat, ohne Verzug alle Vorkehrungen zu treffen,
daß die Vorkommnisse, die zum Zusammenbruch an der Südwestfront ge-
führt haben, sowie die Vorfälle auf dem Rückmarsch untersucht und die
Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden.
Hierauf wird das Gesetz betr. das deutschösterr. Staatsbürger-
recht in zweiter und dritter Lesung angenommen.
Durch das Gesetz wird bestimmt, daß deutschösterr. Staatsbürger alle
Personen sind, die zur Zeit der Kundmachung des Gesetzes in einer Ge-
meinde der deutschösterr. Republik heimatberechtigt sind. Sie hören auf, es
zu sein, wenn sie sich bis zum 30. Juni 1919 zu einem anderen Staate
bekennen, zu welchem Gebietsteile der ehem. österr.ungar. Monarchie gehören.
4. Dez. (Ungarn.) Räumung der Slowakei.
. Der Chef der Militärmission der Alliierten in Budapest, Oberstleutnant
Vyx, fordert (am 3.) im Namen der alliierten Orientarmeen von der ung.
Regierung die sofortige Zurückziehung der ung. Truppen aus der
Slowakei, da sie sich angeblich Ausschreitungen zuschulden kommen ließen,
anderseits aber die Tschecho-Slowaken als anerkannte Verbündete des Ver-
bandes berechtigt seien, die Slowakei zu besetzen.
Die ung. Regierung antwortet (am 4.), daß sie in ihrer Zwangs-
lage wohl genötigt sei, der Anforderung nachzukommen, behauptet aber,
daß die Ausschreitungen von tschech. Truppen begangen worden seien. Gleich-