Full text: Europäischer Geschichtskalender. Neue Folge. Vierunddreißigster Jahrgang. 1918. Zweiter Teil. (59b)

150 Eroßbritannien. (Jan. 22.—25.) 
Großmächte in Persien ein Ende zu bereiten. Ob dieser Vertrag nun gut 
oder schlecht war, er hat sicherlich in dem Hauptzwecke nicht versagt. Nichts- 
destoweniger gab es viele, die keine Gelegenheit ungenützt ließen, der pers. 
Regierung vorzustellen, daß das, was im wesentlichen ein Akt der Selbst- 
losigkeit war, insgeheim von feindseligen Absichten beseelt und gegen die 
territoriale Unverletzlichkeit sowie die politische Unabhängigkeit des pers. 
Königreiches gezielt gewesen sei. Diese Annahme entbehrt jeder Grundlage, 
und ich wünsche sie bei dieser Gelegenheit auf das entschiedenste zurückzu- 
weisen. Nun gab es eine große Veränderung der Lage, die durch die kürz- 
lichen Ereignisse in Rußland herbeigeführt wurde und der engl. Regierung die 
willkommene Gelegenheit bot, ihre Aufrichtigkeit in bezug aus diese Angelegenheit 
zu bekunden. Mangels einer stabilen russ. Regierung wurde es bisher nicht 
für möglich befunden, die Angelegenheit mit diesem Lande zu erörtern, 
aber wir haben die pers. Regierung benachrichtigt, daß wir von nun an 
den Vertrag als vorläufig aufgehoben betrachten und, sobald den von mir 
erwähnten Bedingungen Genüge geleistet sein wird, bereit seien, die ganze 
Frage von neuem in Erwägung zu ziehen. 
22. Jan. (London.) Eröffnung der Seekonferenz der Alliierten. 
23. Jan. (Oberhaus.) Verhältniswahl. 
Das Haus nimmt mit 132 gegen 42 Stimmen einen Zusatzantrag 
zum Wahlreformgesetz an, der den Grundsatz der proportionalen Vertretung 
aufstellt. — Das Unterhaus lehnt jedoch am 30. diesen Zusatzantrag mit 
223 gegen 113 Stimmen ab. 
23. Jan. (Unterhaus.) Die Gesetzesvorlage über den Handel 
mit nichteisenhaltigen Metallen (s. GeschRal. 1917 Tl. 2 S. 366 f.) 
wird in dritter Lesung angenommen. 
23.— 25. Jan. (Nottingham.) 18. Kongreß der Arbeiterpartei. 
Von den Alliierten sind anwesend die Belgier Huysmans, Vander- 
velde, de Brouckere, der Franzose Renaudel und der Russe Litwinow. 
Vorsitzender Purdy sagt in der Eröffnungsansprache, daß von der natio- 
nalen Arbeiterpartei alles getan werden müsse, um ihre russ Freunde zu 
verhindern, einen Sonderfrieden mit den Mittelmächten zu schließen. Nichts 
könnte für die Demokratie niederschmetternder sein. Es sei für Deutschland 
und seine Bundesgenossen nicht länger möglich, zu sagen, daß sie einen 
Verteidigungskrieg kämpfen. Während Großbritannien und seine Verbündeten 
bekanntgemacht hätten, daß sie nicht beabsichtigen, die deutsche Nation zu 
vernichten, sähe man kein Zeichen, daß Deutschland und seine Verbündeten 
willens seien, die von Lloyd George, von Wilson und von der Arbeiter 
partei ausgesprochenen Prinzipien anzunehmen. »- 
Den größten Teil der Debatten am Eröffnungstage nimmt die Er— 
örterung über die geplante Neubildung der engl. Arbeiterpartei, 
bezw. über die Frage der Ergänzung der Parteistatuten ein. Der ausführende 
Ausschuß beantragt, daß die Arbeiterpartei aus allen Organisationen sowie 
aus einzelnen Männern und Frauen bestehen solle, die sich zu dem Statut 
und dem Programm der Arbeiter bekennen. Artur Henderson erklärt, 
daß die Partei in internationaler Beziehung einen Völkerfrieden wünsche, 
in nationaler Beziehung verlange sie die Neuordnung der Gesellschaft auf 
der breiten Grundlage des Staatsbürgertums. Die weiße Sklaverei könne 
nur durch eine Neuordinung der Gesellschaft beseitigt werden. Die Arbeiter- 
bewegung müsse von oben bis unten organisiert werden. Nur durch solche 
Mittel könne sie sich die Zügel im Lande sichern. Die Organisation müsse
	        
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