12 Bie ästerreichisc-zungeriscte Msnarchie und die Nachsolgestaten. Jan. 29. 30.)
nimmt das Ministerium für Volksernährung). Schließlich wird Minister-
präsident Dr. Wekerle mit der interimistischen Leitung des Finanz- und
des Ackerbauministeriums beauftragt. (S. auch 11. Febr.)
Die Regierung Wekerle wankte schon geraume Zeit. Es ist ihr nicht
gelungen, in der Wahlreformfrage die Parteien, die Graf Tisza gestürzt
haben, zu einer einheitlichen positiven Aktion zusammenzufassen. Schließlich
hat Dr. Wekerle versucht, für die in der Minderheit befindlichen Regierungs-
parteien eine gemeinsame Plattform in der Weise zu schaffen, daß er die
Wahlreform mit der Verselbständigung der ung. Armee, die von ganz
Ungarn gewünscht wird, verknüpfte. Die Absicht scheiterte an dem Wider-
stand der Militärs und der österr. Regierung, die davon eine Auflösung
der militärischen Einheit und den Beginn des Zerfalls der Donaumonarchie
befürchteten. Diese an sich schwierige Lage wurde noch durch die Forde-
rungen Oesterreichs nach mehr Nahrungsmitteln und die jüngste Ausstands-
bewegung verschlimmert. Das Programm des neuen Kabinetts, in dem die
Karolyi-Partei nicht mehr vertreten ist, geht vor allem dahin, die Wahl-
reformvorlage möglichst rasch zu erledigen, während die Verwirklichung des
Militärprogramms für die Zeit nach dem Kriege zurückgestellt werden soll.
29. Jan. (Österr. Abg.-Haus.) Prager Entschließung, Nach-
tragskredit.
Bei der Fortsetzung der Debatte vom 22. (s. S. 5 f.) beantragt Abg.
Stanek (Tscheche) die Interpellationsbeantwortung des Ministerpräsidenten
über die Prager Entschließung (s. S. 1 f.) nicht zur Kenntnis zu
nehmen. — Ministerpräsident Dr. v. Seidler erklärt, nach der scharfen
Kritik der Entschließung durch die Interpellationsbeantwortung habe die
Oeffentlichkeit ein Recht darauf, die Entschließung selbst kennen zu lernen
und sich ein selbständiges Urteil zu bilden, ob die Regierung recht hat
oder nicht. Er habe deshalb ihre Freigabe verfügt. — Abg. Seitz erklärt
namens der deutschen Soz., daß sie sich nach der Erklärung des Minister-
präsidenten der Abstimmung enthalten würden, und betont, daß die Be-
strebungen der tschech. Parteien nach Vereinigung von Böhmen, Mähren
und Schlesien zu einem staatsrechtlichen Ganzen, wodurch die deutschen
Sudetenländer einer nationalen Gewaltherrschaft ausgeliefert würden, den
schärfsten Widerstand aller Deutschen, das Proletariat miteingeschlossen, finden
würden. — Der Antrag Stanek wird hierauf mit 155 gegen 105 Stimmen
abgelehnt.
Hierauf unterbreitet Finanzminister Dr. Frhr. v. Wimmer einen
Nachtrag zum Staatsvoranschlag 1917/18, worin mit Rücksicht auf
den nach Fertigstellung des Budgets notwendig gewordenen erhöhten Auf-
wand für Flüchtlingsunterstützung, Hilfsaktionen für Minderbemittelte und
Angehörige des Mittelstandes, Teuerungsbeiträge für Staatsangestellte, Vor-
schüsse für Lehrer, Ueberweisungen an Länder, Entschädigung an Zivil-
beschädigte sowie zur Deckung des aus der Gebarung 1916/17 nicht ge-
deckten Abganges von einer Milliarde sowie zur Bildung einer Reserve
für unvorhergesehene Mehrauslagen die bisher eingeräumte Kreditermäch-
tigung um drei Milliarden Kr. erhöht wird. Ein weiterer Artikel der Nach-
tragsvorlage betrifft die Ausgabe von Kassenscheinen durch die Oester-
reichisch-Ungarische Bank zur Verminderung des Banknotenumlaufes. —
Die Vorlage wird dem Budgetausschusse überwiesen.
30. Jan. (Osterr. Abg.-Haus.) Die Kriegsgewinnsteuer wird
in der letzten vom Herrenhause beschlossenen Fassung (s. Gesch Kal.
1917 Tl. 2 S. 225) angenommen.